Aargauer Zeitung / 28. November 2013

Die linksautonomen Hausbesetzer geben nach einem Tag auf


Linksautonome besetzen das Haus an der Florastrasse 15 in Aarau. Quelle: TeleM1


«Mir si cho zum Bliibe.» So das Schlagwort der Linksautonomen, die in Aarau am Stephanstag ein Haus besetzten. Doch nach nur einem Tag waren sie wieder weg. Nun haben sie eine Anzeige am Hals.

Am 26. Dezember haben Linksautonome ein leerstehendes Gebäude an der Florastrasse 15 in Aarau besetzt. In diesem Haus wollten die Mitglieder der Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) bald schon das schon lange geforderte selbstverwaltete Zentrum eröffnen, wie sie in einer Medienmitteilung verlauten liessen. "Ja, wir sind gekommen, um zu bleiben", schrieben sie weiter.

Doch so weit ist es nun nicht gekommen: Am Samstagmorgen, als die Polizei den Hausbesetzern einen Besuch abstatten wollten, steht das Gebäude leer. Die Besetzer sind bereits wieder verschwunden. Zurückgelassen haben sie an den Wänden einige Farbschmierereien sowie eine eingeschlagene Scheibe an einem Nachbarshaus, wie der regionale TV-Sender Tele M1 berichtet.

Der Liegenschaftsbesitzer hat gegen die Hausbesetzer eine Anzeige wegen Sachbeschädigung eingereicht.

Langer Kampf für autonomes Zentrum

Die Linksautonomen kämpfen seit Jahren für ein selbstverwaltetes Zentrum in der Stadt Aarau. Bisher ohne Erfolg. Ein letztes Mal für Aufsehen gesorgt haben die Aktivisten an der Demo "Tanz dich frei" im Juni, an der es teilweise zu Ausschreitungen kam – laut ihren Aussagen auch wegen des grossen Polizeiaufgebotes.

Die Autonomen werfen der Stadt Aarau vor, dass diese das Bedürfnis nach einem autonomen Zentrum abstreiten würden.


Aargauer Zeitung / 26. November 2013

Das bunte «Do-it-yourself»-Dörfli steht jetzt bei der Kulturfabrik Kofmehl


«Besetzen» statt besitzen Quelle: Andreas Kaufmann


Die «Wagen-Siedler» haben ihren Standort beim alten Kofmehl-Areal auf Anweisung der Besitzerin räumen müssen. Ihre Bauwagen stehen neu in der Nachbarschaft der Kulturfabrik Kofmehl. Wir haben die fünf jungen Leute besucht.

von Andreas Kaufmann

«Lieber bunt und belebt als grau und leer», lässt ein Banner die Passanten am Kofmehlweg wissen. Grau, damit ist die Westumfahrungsbrücke gemeint. Bunt hingegen ist das Wagendorf, das seit dem vergangenen Samstag zwischen dem Kofmehl-Rostkubus und Betonpfeilern eingebettet ist. Zuvor hatten die fünf jungen Leute das alte Kofmehl-Areal an der Gibelinstrasse besiedelt – bis die Besitzerin Marti AG das Grundstück räumen liess (wir berichteten).

Nun stehen ihre farbig bemalten Bauwagen am neuen Ort und schaffen bei strahlendem Sonnenschein dank Bankgarnitur und Kugelgrill fast ein wenig Camping-Atmosphäre – wenn nicht der gezuckerte Weissenstein dagegenspräche.

Keine existenzielle Not

Die Kommune, bestehend aus Ramon, Marc, Lisa, Lars und Kevin* hat sich «häuslich» eingerichtet. Schon jetzt verteidigt Schäfer-Schnauzer-Mischling Roco das «eroberte» Territorium, sobald vorbeigehende Neugierige auf den «Dorfplatz» zwischen den Wagen spähen.

Es ist keine existenzielle Not, die diese Menschen dazu veranlasst, ihren Lebensstil in selbst eingerichteten Bauwagen neu zu erfinden. Das betonen alle fünf, als sie frühabends sinnierend um das rostige Fass sitzen, aus dessen Inneren die Feuersglut genügend Wärme spendet.

Heimweh nach dem Wagendörfli

Marc kennt das etwas andere Wohnen von früher. Zum Teil reiste er mit Lisa per Bauwagen durchs Emmental, behauste dann wieder eine Wohnung, wünschte sich aber bald das Wagendörfli zurück: «Ich stellte fest, dass es Spass macht, einen alternativen Lebensstil aufzubauen.»

Lars seinerseits hat durch seine Arbeit beim Zirkus wieder an der alten Leidenschaft Gefallen gefunden: «Ich habe mir durchs Einrichten eines Bauwagens selbst eine neue Lebensaufgabe geschaffen.» Und Lisa ergänzt: «Man kann sich so sein Eigenheim einrichten und gestalten, wie man will.»

Abseits der gängigen Wunschvorstellungen

Zum Wunsch, sich so selbst zu verwirklichen, kommt bei den meisten eine berufliche Begabung hinzu. Sind doch die meisten der «Dorfbewohner» aktuell in der Baubranche, einer ist im Gastrobereich tätig. «Es sollte möglich sein, abseits von der verbreiteten Wunschvorstellung eines Einfamilienhauses zu leben», findet indes Kevin.

«Längerfristig wünschen wir uns einen Ort, wo wir auf Basis eines Zwischennutzungsvertrags bleiben können», betont Ramon. Ein Gärtchen zur Selbstversorgung gehört ebenfalls zu den Wunschvorstellungen. Und die Idee, kulturelle Anlässe an Ort und Stelle durchzuführen, Lesungen, Austellungen, Workshops, eine Volksküche.

Starker Wunsch nach Raum

Es gibt aber auch eine politische Ebene – jenseits der Selbstverwirklichung. In einem offenen Brief untermauern die fünf Besetzer ihre Haltung und ihre Forderung: «ein Stück Land, wo junge Menschen Platz haben, sich selbst zu sein». Und eine idealistische Grundhaltung, die noch weiter reicht. «Zersiedelung» und «2000-Watt-Gesellschaft» sind zwei Schlagworte, die in der nächtlichen Runde wie selbstverständlich fallen.

Im Wind flattert die Flagge der Anti-Atomkraft-Bewegung, fünf Solarpanels stehen bereit. «Wir wollen das ökologische Wohnen bewusster machen», findet Lars. Eine Öllampe ersetzt die Nachttischlampe, warm bleibt es in den Bauwagen dank kleiner Holzöfen. «Und wir brauchen zu fünft pro Woche 100 Liter Wasser», wird stolz hinzugefügt. «Man lernt sparen», so Kevin.

«Wenn er auf die Fresse fällt, lernt er was draus»

«Das ist sicherlich kein Lebensstil für jedermann», ist sich Lisa im Klaren. Ihre Eltern akzeptieren zwar ihren Lebensstil, befürworten ihn aber nicht. «Meine Mutter vertritt die Devise: ‹Wenn er auf die Fresse fällt, lernt er was draus›», ergänzt Kevin grinsend.

Akzeptanz ist etwas, was sich die fünf Siedler auf alle Fälle wünschen. Und die Möglichkeit, auf ihrem «Dorfplatz» mit Menschen ins Gespräch zu kommen – über Vorurteile und über das wahre, auch beschwerliche «Wag-abunden»-Dasein.

* Alle Namen geändert

Westtangente: Zwischenhalt oder Winterlager?
Erstaunt sei er schon gewesen, als er die Neuzuzüger am Samstag erblickt habe, erzählt Pipo Kofmehl von der Kulturfabrik Kofmehl nebenan. Denn mit den Besetzern steht der Kulturveranstalter in keinem Zusammenhang. Dennoch: «Wie man es bei Nachbarn immer tut, bin ich vorbeigegangen, um ‹Hallo› zu sagen.» Man habe sich darauf geeinigt, jeweils auf den anderen zuzugehen, falls Probleme auftauchen würden. «Wir hatten bislang null Zwischenfälle», resümiert Kofmehl und betont, dass die Besetzer sich überaus friedlich verhielten. «Wenn aber Zwischenfälle auftauchen würden, hätten wir ein Problem», so Kofmehl weiter. Gerade in solchen Fällen will man vermeiden, mit den Besetzern in Verbindung gebracht zu werden. Letztlich ist der Kulturveranstalter nämlich auch angehalten, im Perimeter der Kulturfabrik für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das Grundstück, auf dem sich das Wagendorf befindet, gehört dem Kanton, der erst durch die Zeitungsanfrage von der Besetzung Kenntnis nahm. Doch auf dem kantonalen Departement für Bau und Justiz BJD haben die Besetzer nicht angefragt. Wie Bernardo Albisetti, BJD-Departementssekretär, mitteilt, könne man die Besetzung des Areals nicht zulassen, auch nicht als mittelfristige Lösung oder als Winterlager. «Die Brückenkonstruktion ist brandschutztechnisch nicht für eine solche Nutzung ausgelegt.» Bei einem Brand würde nämlich die Armierung Schaden erleiden. «Dazu haben wir schon verschiedene Anfragen ablehnen müssen, und das hätten wir auch in diesem Fall getan.» Zur Erinnerung: Im Sommer hatte die Stadt auf Geheiss des Kantons ein Parkverbot am Kofmehlweg eingeführt - wegen des Brandrisikos. Darüber hinaus müssen für eine Nutzung auch baurechtliche Überlegungen angestellt werden. Dies betrifft die nötige Zonierung für eine Nutzung wie im vorliegenden Fall. Im Hinblick auf die anstehende Räumung will das BJD nun mit den städtischen Behörden zusammenarbeiten. Dort habe man bereits Kontakt mit den Besetzern gehabt. (ak)


Berner Zeitung Zeitung / 19. November 2013

Jugendliche demonstrierten gegen Rechte


Eine Pnos-Aktion im Jahr 2010: Am Montag demonstrierten Jugendliche gegen die rechte Partei. Bild: Robert Grogg


Das «Bündnis buntes Langenthal» demonstrierte am Montag vor der Stadtratssitzung gegen die Pnos.

Sie nannten sich zwar «Bündnis buntes Langenthal». Aufgetreten sind sie aber alle in Schwarz, die meisten mit Kapuze, so wie die Linksautonomen. Und das waren sie wohl auch. An die Langenthaler Politiker verteilten sie ein Flugblatt mit dem Titel «Heult doch, Nazis». Damit reagierten sie auf eine Aktion der Pnos, die gar nie stattgefunden hat. Die wollte nämlich vor der Oktobersitzung des Stadtrates für ihre Anliegen demonstrieren. Die Sitzung war aber abgesagt worden.

Das bunte Bündnis befasste sich in seinem Flugblatt mit den relativ bedeutungslosen und zeitlich zurückliegenden Aktivitäten der zwei Pnos-Vertreter im Stadtrat. Die Pnos habe gefordert: «Nehmt uns ernst.» Das «Bündnis buntes Langenthal» tue dies. Es verteilte an die Politiker ein Selbsthilfe-Kit und eine Gebrauchsanleitung zum Umgang mit Rechtsextremen


Stadtratspräsident Daniel Steiner (EVP) erklärte, links- und rechtsextreme Kreise hätten zur Störung des Ratsbetriebes aufgerufen. Es sei jedoch kein Gesuch für eine Kundgebung eingegangen und keine Bewilligung ausgestellt worden. Er habe deshalb die Polizei angewiesen, alles Notwendige dafür zu unternehmen, eine Störung der Sitzung zu verhindern. Fünfzig Polizisten standen deshalb im Einsatz oder in Bereitschaft. Der für die Sicherheit zuständige Gemeinderat Rolf Baer erklärte später, die Mehrheit der Demonstranten sei Richtung Bahnhof und Bern abgezogen, die andern hätten sich ins Lakuz begeben.


Aargauer Zeitung / 14. November 2013

Fünf Leute samt Hund besetzen Kofmehl-Areal - freiwillig wollen sie nicht weg


So siehts derzeit auf dem ehemaligen Kofmehl-Areal aus. Quelle: Wolfgang Wagmann


Auf dem ehemaligen Kofmehl-Areal in Solothurn hat eine Gruppe von Alternativen eine eigentliche «Wagenburg» errichtet. Die fünf Leute führen einen «Kampf um alternativen Wohnraum» und wollen den Platz nicht freiwillig räumen.

von Wolfgang Wagmann und Andreas Kaufmann

«Wir sind fünf Leute und ein Hund. Jeder hat einen eigenen Wagen. Wasser holen wir mit Kanistern, und für Strom haben wir einen Generator und eine Solaranlage», deutet G. (Name der Redaktion bekannt) auf das Dach eines Bauwagens. Seit zwei Wochen schon haust das Quintett – von der Gibelinstrasse her durch eine Hecke nicht einsehbar – auf dem leeren Gelände, das der Marti AG gehört.

Von Lüsslingen nach Solothurn

Wo einst die frühere Kulturfabrik Kofmehl stand, ist schon seit Jahren ein neuer Coop-Center geplant – der aber bis jetzt aufgrund von Einsprachen nicht realisiert werden konnte. «Wir wohnten vorher in unseren Wagen in Lüsslingen. Von den Nachbarn gabs eigentlich nur positive Reaktionen.» Doch irgendwann seien die SBB als Eigentümerin des Areals auf den Plan getreten und hätten sie fortgewiesen. Jetzt, am neuen Standort in Solothurn hätten sie den Kontakt zu den Behörden und Grundeigentümern gesucht – bis jetzt sei dieser jedoch nur mit der Marti AG als Grundeigentümerin erfolgt. Mit ihr wollen die Besetzer über eine allfällige Zwischennutzung verhandeln. Ziel von G. und seiner Gruppe ist es offenbar, eine längere Aufenthaltsdauer auszuhandeln. Und wenn dies nicht einvernehmlich geregelt werden kann – dennoch zu bleiben. «Freiwillig gehen wir von hier nicht weg», meint G. trotzig. Die flatternde Fahne über dem kleinen Camp kündet jedenfalls genauso von Inbesitznahme des «Territoriums» wie das plakativ auf ein Tuch gemalte Wort «Besetzt».

Als Legitimation für ihr «Projekt» Wagenplatz machen die Besetzer politische Motive, den «Kampf um alternativen Wohnraum» geltend. Sie verweisen auf eine Aussage von Stadtpräsident Kurt Fluri, wonach es für solchen Raum kein passendes Gebäude gebe: «Herr Fluri, wir wollen kein Gebäude, sondern ein Stück Land, wo junge Leute sich selbst sein können.»

Besetzung registriert

Wie die Stadtpolizei auf Anfrage bekannt gibt, wurde die Besetzung von ihr bereits registriert. Auch setzte man schon die Grundstückbesitzerin Marti AG darüber in Kenntnis. Zurzeit gebe es aber weder einen Handlungsbedarf noch eine rechtliche Handhabe, um polizeilich einzugreifen oder allenfalls eine Räumung zu veranlassen. Solange die Besitzerin die fünf jungen Menschen auf dem privaten Grundstück toleriere, könne aus rechtlichen Gründen auch die Polizei nicht einschreiten.

Doch: Christoph Müller, Geschäftsführer Marti AG Solothurn hat bereits das Gespräch mit den Besetzern gesucht, um sie zum Gehen zu bewegen: «Vergebens, weswegen ich wohl Anzeige erstatten werde.» Schliesslich richte sich die Forderung der Besetzer an die Stadt und nicht an die Marti AG. Ausserdem werde der Platz für den Materialumschlag verwendet.

Dass es zu Besetzungen kommt, ist selbst in Solothurn kein Novum. Bereits im Herbst 2011 hatten sich friedliche Hausbesetzer in einem leerstehenden Haus neben dem damaligen «Heidenhübeli»-Restaurant an der Weissensteinstrasse einquartiert. Die Belagerung, die mit dem Transparent «Instandbesetzen statt kaputtbesitzen» bekräftigt worden war, dauerte bloss wenige Tage.


Aargauer Zeitung / 12. November 2013

Obergericht bestätigt Urteil: Linksautonomer Autozeusler muss hinter Gitter


Die beiden Autozeusler vor der Gerichtsverhandlung 2012 am Bezirksgericht Aarau


Vor zwei Jahren verurteilte das Bezirksgericht Aarau einen linksautonomen Autozeusler zu einer Freiheitsstrafe. Der Mann, der sechs Autos abgefackelt hatte, zog das Urteil weiter. Das Obergericht befand nun: Die Strafe bleibt, sie sei sogar zu mild.

von Aline Wüst

Der Aarauer Autozeusler wollte verhindern, dass er ins Gefängnis muss. Der heute 24-jährige zog das 2012 vom Bezirkgericht Aarau gefällte Urteil deshalb weiter ans Obergericht - in der Hoffnung auf Strafmilderung. Nun ist er dort abgeblitzt.

S tatt die Gefängnisstrafe aufzuheben, kritisierten die Richter am Obergericht die Bezirksrichte sogar wegen des milden Urteils, wie "Blick" heute berichtet. Eine teilbedingte Freiheitstrafe von drei Jahren hatten diese damals gesprochen. Ein Jahr davon hinter Gitter. Das Obergericht fand, dass eine höhere Strafe hätte gesprochen werden müssen.

Obergericht konnte Strafe nicht erhöhen

Zum Glück für den Autozeusler hatte der Staatsanwalt damals keine Berufung eingelegt. Sonst wäre der heute 24-jährige vom Obergericht noch härter veruteilt worden. Nun aber konnte das Obergericht die Strafe nur bestätigten nicht aber erhöhen.

Autozeusler hielten Polizei auf Trab

Es war im Jahr 2009 als eine Brandserie Aarau aufschreckte: Im Quartier Zelgli brannten zwischen Mai und November in kurzen Abständen insgesamt sechs Autos. Es waren Autos der gehobenen Klasse, darunter auch Wagen von SVP-Politikern. Ende Jahr wurden zwei damals 20-jährige Schweizer verhaftet. Die beiden jungen Männer gestanden einen Anschlag, und zwar den auf das Auto des SVP-Ortsparteipräsidenten.

Beim zweiten Brandstifter steht das Urteil noch immer aus. Das Bezirksgericht hatte bei der Gerichtsverhandlung 2012 ein psychologisches Gutachten angeordnet, das entscheiden soll, ob der junge Mann schuldfähig ist oder nicht.


WOZ / 10. Oktober 2013

Polizei ausser Kontrolle

Aktuelle und hängige Vorfälle in Winterthur, Zürich und Aarau zeigen: In der Schweiz sind Polizei- und Justizapparate auf Gemeinde- und Kantonsebene eng verflochten. Unabhängige Untersuchungsinstanzen für Gewalt von Polizeibeamten fehlen.

Von Andreas Fagetti


Wer die Stimme erhebt, wird sofort gefesselt und abgeführt: Aaarauer Polizisten duldeten letzten
Samstag keinen Protest gegen eine Kundgebung von Rechtskatholiken. Foto: Ennio Leanza, Keystone


Treffen mit Angela D. in einer Parterrewohnung in einem Aussenquartier Winterthurs. Die Neunzehnjährige hat im Sommer die Matura gemacht und arbeitet derzeit als Praktikantin. Was sie nach dem Zwischenjahr studieren möchte, darüber hat sie sich natürlich Gedanken gemacht: Psychologie oder Fotografie. Am Abend des 21. September rückt ein Gummigeschoss einen dieser Berufswünsche in weite Ferne. Mit ihrem linken Auge wird sie nie mehr richtig sehen können.

Mit einer friedlichen Tanzdemo gegen die Stadtentwicklung Winterthurs und die Sparmassnahmen ein Zeichen zu setzen, fand sie originell. «Dass dem Spardiktat auch günstige Ferienprogramme für Kinder aus armen Familien zum Opfer fallen, finde ich daneben», sagt sie. Und so nahm sie zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Kundgebung teil. Sie tanzte friedlich in der Menge auf dem Platz vor dem Salzhaus, als die Polizei gegen die Tanzdemo vorrückte (siehe WOZ Nr. 39/13). «Es waren vielleicht fünf Leute, die zwischen dem Polizeikordon und den Tanzenden standen und Zoff suchten. Die Polizei hätte die doch problemlos aus dem Verkehr ziehen können. Aber offensichtlich verstand sie diese Aktion als Signal, gegen uns alle vorzugehen. Sie spritzte mit dem Wasserwerfer direkt in den Soundwagen. Panik brach aus. Ich flüchtete mit meinen Freunden sofort Richtung Bahnhofplatz, es war der einzige mögliche Fluchtweg.» Aber der war ebenfalls abgeriegelt. Sie waren eingekesselt. Auch von dieser Seite rückte die Polizei vor. Also versteckte sich Angela D. zwischen zwei parkierten Autos.

Und dann geschieht, was sie nicht für möglich gehalten hätte: Ein Gummigeschoss prallt in ihr linkes Auge. Angela D. geht zu Boden und schreit. Das ist um 22.45 Uhr. «Ich stand unter Schock.» FreundInnen bringen sie zunächst in ein Gebäude. Ein Kollege ruft die Ambulanz. Die aber sagt, da sei wohl kein Durchkommen. Taxis und Busse sind keine zu finden in der abgeriegelten Innenstadt. Also machen sie sich zu Fuss auf ins Spital. Durch eine Polizeisperre kommt die schwer am Auge verletzte Frau nur mit Mühe, nachdem sich eine Kollegin lautstark für sie eingesetzt hat. Um 23.28 Uhr nimmt das Spital Angela D. auf. Am nächsten Tag wird sie ins Universitätsspital Zürich eingewiesen und fünf Tage später operiert. Der Sehkraftverlust auf dem verletzten Auge beträgt über achtzig Prozent. Der Sehnerv wird für immer geschädigt bleiben.

Stadträtin geht in Deckung

Und wie reagierten Polizeikommandant Fritz Lehmann und Stadträtin Barbara Günthard-Maier, die für den Polizeieinsatz verantwortlich sind, als die Medien über die schwere Verletzung der neunzehnjährigen Winterthurerin berichteten? Zunächst gar nicht. Es verstrichen zehn Tage. Polizeikommandant Lehmann behauptete gegenüber dem «Tages-Anzeiger», die Polizei habe erst mehr als eine Woche später davon erfahren.

Sehr früh davon erfahren haben muss jedenfalls Fritz Lehmanns Chefin Barbara Günthard-Maier. Florian S., ein Kollege von Angela D., hatte am Montag nach der Tanzdemonstration die Stadträtin per Facebook mit deutlichen Worten auf den Vorfall hingewiesen und ihr eine Fotografie vom verletzten Auge geschickt. Wie ein Screenshot belegt, wurde diese Nachricht auf Günthard-Maiers Account als gelesen zur Kenntnis genommen.

D ie WOZ hätte die FDP-Politikerin gern mit diesem Sachverhalt konfrontiert. Michael Scholz, der stellvertretende Informationschef der Stadtverwaltung, wehrt ab: «Bis zum Abschluss von internen Untersuchungen werden sich weder Stadträtin Günthard-Maier noch die Polizei zu den Vorfällen um die Tanzdemo äussern.»


Die Stadträtin taucht ab, geht in Deckung. Dass ihr frühes Wissen um die schwere Verletzung der jungen Frau ebenfalls Gegenstand der polizeiinternen Untersuchungen sein wird, ist nicht anzunehmen.

Besuch vom Kommandanten

Als der Polizei allerdings zu Ohren kam, dass Angela D. Medien Interviews gab, meldete sie sich unverzüglich bei der Winterthurerin. Polizeikommandant Lehmann werde sie besuchen. «Er hat Schokolade mitgebracht, sich entschuldigt und gesagt, ein solcher Fall dürfe nicht passieren. Der Vorfall werde untersucht.»

Ein Interview mit dem Polizeikommandanten ist derzeit ebenfalls nicht möglich. Bianca Lussi, Mediensprecherin der Stadtpolizei Winterthur, bestätigt lediglich: «Es laufen bei den beteiligten Korps der Kantons- und Stadtpolizei polizeiinterne Untersuchungen. Vorderhand werden die Einsätze analysiert.»

Sofern Behörden Fehler begehen, besteht offensichtlich keine Verdunkelungsgefahr. Unabhängige Untersuchung? Fehlanzeige. Die Polizei untersucht sich vorderhand selbst. Sie und die zuständige Stadträtin stehen unter Druck. Nicht nur vonseiten der KundgebungsteilnehmerInnen. Deren Tenor lautet unisono: Der Einsatz sei provokativ und aggressiv gewesen und habe erst die Eskalation ausgelöst. Auch politisch wird Druck gemacht: Die SP bereitet einen Vorstoss im Stadtparlament vor, der die Veröffentlichung der Einsatzpläne fordert. Das sagt Winterthurs Juso-Präsident Nyima Tsering. Ausserdem sorgt die (bewilligte) Kundgebung «Freiräume statt Albträume» am kommenden Samstag, 12. Oktober, dafür, dass die Sache nicht unter den Tisch gekehrt wird. Mit Konzerten, Reden und einer Kollekte für Angela D. Als Organisatorin zeichnet die Juso. Sie fordert als Konsequenz aus der Eskalation den Rücktritt von Stadträtin Günthard-Maier und Polizeikommandant Lehmann.

Während des Polizeieinsatzes an der Tanzdemo Ende September wurden vier KundgebungsteilnehmerInnen verletzt, neben Angela D. erlitten zwei junge Männer ebenfalls Verletzungen im Augenbereich, ein Juso-Mitglied verbrachte wegen einer Gehirnerschütterung einige Tage im Spital, ein Polizist wird auf einem Ohr taub bleiben, unter den Verletzten befindet sich auch ein Feuerwehrmann.

Angela D. hat sich einen Anwalt genommen. Sie möchte, dass der «unverhältnismässige» Polizeieinsatz lückenlos aufgeklärt wird und sie Schadenersatz erhält. Mit ihrem Anwalt bereitet sie eine Strafanzeige vor. Ihr Verhältnis zur Polizei, das vorher «neutral» gewesen sei, ist ein anderes: «Jetzt bin ich sehr misstrauisch.»

Asymmetrische Auseinandersetzung

Wer es mit Polizeigewalt zu tun bekommt und sich mit Strafanzeigen dagegen wehrt, hat einen schweren Stand. Denn wer Ordnungshüter anzeigt, legt sich in der kleinräumigen Schweiz auf Gemeinde- und Kantonsebene mit einem eng verflochtenen Apparat an. Es ist eine asymmetrische Auseinandersetzung. Untersuchungsrichterinnen, Staatsanwälte und Gerichte arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Die Gewaltenteilung funktioniert wegen der Nähe und der personellen Verflechtung nur bedingt. Wenn, wie jetzt in Winterthur, der Polizeiapparat sich selbst untersucht, sind Absprachen vor der Beweisführung leicht möglich. Der Rechtsstaat, der das Individuum vor der Staatsmacht schützen sollte, stösst in solchen Fällen auf den unteren Ebenen der Justiz immer wieder an seine Grenzen (vgl. «Polizeilich geschützte FundamentalistInnen» im Anschluss an diesen Text).

Strafanzeigen gegen PolizistInnen sind selten von Erfolg gekrönt. Die Justiz behandelt solche Anzeigen bloss widerwillig. Nichteintreten und Einstellung der Verfahren sind häufig. Beispielhaft dafür steht der öffentlich gut dokumentierte Fall des Zürcher Pressefotografen Klaus Rózsa. Als er am 4. Juli 2008 einen Polizeieinsatz beim besetzten Hardturmstadion gegen ein Fest der BesetzerInnen dokumentieren will, hindert ihn die Polizei nicht nur bei seiner Arbeit als Journalist und verletzte damit die Pressefreiheit, sie unterzieht ihn unrechtmässig einer Personenkontrolle, verhaftet und verletzt ihn. Rósza erstattet Anzeige. Auch die Polizei zeigt den Fotografen an. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren wegen Amtsmissbrauch, Nötigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung ein. Das Bezirksgericht verurteilt Rósza hingegen wegen Gewalt und Drohung gegen zwei Stadtpolizisten und mehrfacher Hinderung einer Amtshandlung (weil er sich gegen seine Verhaftung wehrte).

Das Zürcher Obergericht hat das Urteil gegen Rósza kürzlich aufgehoben – die Personenkontrolle eines Journalisten bei seiner Arbeit sei «nicht angebracht» gewesen. Und auch das Bundesgericht hat in dieser Angelegenheit gesprochen: Es hat die Einstellung des Verfahrens gegen die Polizisten aufgehoben und die Staatsanwaltschaft angewiesen, entweder einen Strafbefehl zu erlassen oder die Untersuchungsergebnisse zu ergänzen und Anklage gegen die Stadtpolizisten zu erheben. Die Angelegenheit hat insgesamt fünf Jahre in Anspruch genommen – Klaus Rósza musste mehrere Zehntausend Franken aufbringen, um zu seinem Recht zu kommen.

Der Weg über die Gerichte steht formal allen offen. Aber BürgerInnen, die ihn einschlagen, sollten über gute AnwältInnen, Nerven, Zeit und ausreichend finanzielle Mittel verfügen – und bereit sein, bis vor Bundesgericht zu gehen. Ein hohes Abschreckungspotenzial für alle, die ihre Rechte wahren möchten. Das ist keine Einschätzung polizeifeindlicher Kräfte. Der Ausschuss gegen Folter der Vereinten Nationen forderte im Jahr 2010, «dass in jedem Kanton eine unabhängige Instanz geschaffen wird, die befugt ist, sämtliche Anzeigen wegen gewalttätiger Übergriffe oder Misshandlungen durch die Polizei entgegenzunehmen und die Vorwürfe rasch, gründlich und unparteiisch zu untersuchen». Eine Lösung wären SonderstaatsanwältInnen, die nicht mit dem Justizapparat vor Ort verbandelt sind. Geschehen ist seither in dieser Sache nichts. Immerhin gibt es in mehreren Kantonen und Städten parlamentarische Ombudsstellen, so in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt, Baselland, Waadt und Zug sowie in den Städten Zürich, Bern, Winterthur und St. Gallen.

Eingeschränkte Bewegungsfreiheit

Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum sind in der Schweiz längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sobald sich die Obrigkeit gestört fühlt. Die vor allem von Freisinnigen angestossene Regulierungswut gegen die individuelle Freiheit (Videoüberwachung, Littering et cetera) schränkt schleichend die Grundrechte ein und tritt die Eigenverantwortung mit Füssen. So kann die Polizei mittlerweile in diversen Kantonen und Städten Rayonverbote und Wegweisungen gegen unliebsame Personen wie Randständige, Dealer oder Fussballfans erwirken. In der Stadt Zürich ist die Wegweisung seit ihrer Einführung im Jahr 2009 weit über zehntausend Mal verfügt worden. In neue Dimensionen stiess die Stadtpolizei Zürich am 1. Mai 2011 vor. Sie wies im Vorfeld des 1. Mai darauf hin, dass Personen, die sich im Gebiet Kanzleiareal/Helvetiaplatz aufhalten sollten, weggewiesen werden könnten. Und sie machte ihre Ankündigung wahr: Sie verhaftete unabhängig von einem allfälligen konkreten Vergehen präventiv über 500 eingekesselte Personen, hielt sie stundenlang auf dem Polizeiposten fest und erliess Wegweisungen und Rayonverbote. Stadtrat und Polizei erklärten ein ganzes Stadtgebiet zur Sperrzone. Das «Vergehen»: Aufenthalt in einer sogenannten Problemzone. Verhaftet wurden auch Personen, die sich einer Wegweisung nicht widersetzten.

Ein Dutzend Betroffene hat dieses Vorgehen nicht auf sich beruhen lassen und sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen. Die fünf Rekurse (drei gegen die Kantonspolizei, zwei gegen die Stadtpolizei) sind bisher von allen Instanzen abgewiesen worden, obwohl die Polizei keinem der Betroffenen ein Vergehen oder Gewaltbereitschaft nachweisen konnte: Das Verwaltungsgericht hat bereits drei Rekurse abgeschmettert, sie sind nun vor Bundesgericht hängig. Zwei Rekurse sind beim Statthalteramt Zürich hängig. Das Kollektiv kann auch finanziell auf breite Unterstützung zählen. Dank Soliaktionen und Zuwendungen von Organisationen musste es bisher keinen Franken aus der eigenen Tasche bezahlen. Mit diesen Rekursen möchte das Kollektiv im besten Fall erreichen, dass eine derartige Polizeistrategie bei ähnlichen Grossanlässen im öffentlichen Raum nicht mehr zur Anwendung kommen kann.

Der europäische Vergleich

Auch in Deutschland gibt es keine unabhängige Beschwerde- und Kontrollinstanz für polizeiliches Fehlverhalten. Es sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei selbst, die gegen PolizeibeamtInnen ermitteln.

Auch in Italien und Spanien fehlt eine unabhängige Kontrolle der Polizeiarbeit. Einen anderen Weg geht Österreich: Den Opfern von Polizeigewalt steht der Weg zum Unabhängigen Verwaltungssenat offen. Dieser kann jedoch keine Sanktionen gegen fehlbare PolizistInnen verhängen. Ein positiver Entscheid verbessert lediglich die Chancen für ein späteres Verfahren. In Frankreich gründete man im Jahr 2000 die Nationale Kommission für Ethik in Sicherheitsfragen. Amnesty International ist mit ihrer Arbeit mehrheitlich zufrieden.

Zum Beispiel Aargau – Polizeilich geschützte FundamentalistInnen

Die Meinungsfreiheit wäre eigentlich ein Bürgerrecht. Im Kanton Aargau ist sie offensichtlich nicht gewährt, wenn sie aus der falschen (linken) Ecke kommt und im öffentlichen Raum kundgetan wird. Aarau, Samstag, 5. Oktober. Die rechtskatholische Piusbruderschaft, angeführt von schwarz berockten Priestern, macht in der Innenstadt zwischen Imbissbude und Casino betend und singend gegen die Abtreibung mobil und ruft dabei die Kräfte des Himmels an. Rund hundert Frauen und Männer beten mit. Linke versuchen, dagegen zu protestieren, und setzen sich lautstark für die Selbstbestimmung der Frau ein. Doch weit kommen sie damit nicht. Wer seine Stimme erhebt, bekommt es ­augenblicklich mit mehreren Polizisten zu tun. Sie greifen die Person heraus, nehmen ihre Personalien auf, legen sie in Kabelbinder und führen sie ab. Manche werden zu Boden geworfen, auf den Bauch gedreht und gefesselt. In einem einzigen Fall während der etwa einstündigen Kundgebung ist das Eingreifen der Polizei gerechtfertigt, als nämlich ein Mann den tonangebenden Priester attackiert und ihn an seiner Redefreiheit zu hindern versucht. Statt die beiden Demos voneinander zu trennen und die Redefreiheit aller zu schützen, schlägt sich die Polizei auf die Seite der katholischen ­FundamentalistInnen. Mutterschaft zu entscheiden.» Zudem werfen die Autonomen der Piusbruderschaft Antisemitismus und Homophobie vor.


Aargauer Zeitung / 6. Oktober 2013

Übertrieben hartes Durchgreifen? Polizeieinsatz gegen Linke wirft Fragen auf

Bei der Anti-Abtreibungs-Demo der Pius-Bruderschaft vom Samstag wurden linke Gegendemonstranten nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst und präventiv abgeführt. Die Juso kritisiert hartes Vorgehen der Polizei – diese rechtfertigt den Einsatz.

von Tim Honegger

Die erzkatholischen Pius-Brüder skandierten gegen die Abtreibung, die Linken für das Recht auf die Selbstbestimmung der Frau. Am Samstagabend gingen jedoch beide als Verlierer vom Platz: Die Polizei ging mit solcher Härte gegen die Linken vor, dass die Forderungen beider Lager weit in den Hintergrund rückten.

Nach der Kundgebung herrscht Uneinigkeit, ob der Polizeieinsatz verhältnismässig war.

«Keine Gefahr für die Demo»

Viele Passanten waren jedenfalls entsetzt: Selten zuvor sahen sie die Polizei in Aarau dermassen hart durchgreifen. Linke Gegendemonstranten wurden präventiv in Handschellen abgeführt – ohne, dass sie den Schauplatz überhaupt betreten hätten.

Während der Kundgebung der Pius-Brüder riefen einzelne von ihnen Parolen in die Menge. Die polizeiliche Reaktion: Zu fünft drückten sie die Störenfriede zu Boden und führten sie in Handschellen ab.

Juso-Mitglied Florian Vock ist einer der wenigen Linken an der Demonstration, die nicht auf dem Polizeiposten landeten. «Die Polizei hat das Demonstrationsrecht der Fundamentalisten massiv höher gewichtet als unser Recht auf Meinungsfreiheit – ihr grober Einsatz war absolut unverhältnismässig», sagt er.

Zwar anerkennt Vock den Polizeiauftrag, die Demonstration zu schützen. «Aber es bestand zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringste Gefahr für die Piusbrüder – unsere blosse Präsenz wurde wie eine Störung behandelt.» Mit ihrem präventiven Eingreifen hätten die Polizisten ihnen das Recht verwehrt, sich zur Kundgebung zu äussern – «das ist sehr problematisch».

«Eingreifen gerechtfertigt»

Der neue Polizeikommandant Michael Leupold war beim Einsatz am Samstagnachmittag persönlich dabei. «Die Piusbrüder nehmen hier ein verfassungsmässiges Recht wahr – wir schützten die bewilligte Versammlung lediglich», sagte er.

Mediensprecher Bernhard Graser schliesst sich ihm an: «Nachdem einige Störer die Ermahnungen der Polizei nicht befolgten, Rauchpetarden warfen und ein Megafon einsetzten, entfernten wir diese Personen vom Platz.»

Den Vorwurf der Unverhältnismässigkeit weist er zurück – obwohl sogar Medienvertreter in die Kontrolle gerieten. «Wir mussten konsequent eingreifen. Wenn die Gegendemonstration aus dem Ruder gelaufen wäre und wir nicht gehandelt hätten, würde man uns im Nachhinein Vorwürfe machen», so Graser.

Zudem finde er es stossend, dass ausgerechnet jene, die stets auf ihre Meinungsfreiheit pochten, nun so empfindlich reagierten. «Es gelten für alle dieselben Regeln», so Graser.

Ideologische Grabenkämpfe

Pater Lukas Weber hat die Kundgebung «Ja zum Kind» organisiert. «Die Polizei hat auf die linken Chaoten sehr gut reagiert», findet er. Es sei bereits das dritte Mal, dass eine ihrer Demonstrationen gestört worden sei.

Davon liessen sich die 100 Anhänger der Piusbruderschaft jedoch nicht abschrecken: Männer in schwarzen Roben und Frauen mit Röcken sangen und beteten während rund einer Stunde. Dazwischen wetterte Weber: «Man setzt gewisse Güter über das Leben der Menschen. Diese Leute wollen darüber entscheiden, was wertes und was unwertes Leben ist – dies öffnet Tür und Tor für menschenfeindliches Gedankengut.»

Die Gegner der Anti-Abtreibungs-Demonstration sehen in der Ideologie der Piusbruderschaft jedoch eine «patriarchale Geschlechterpolitik», wie sie auf einem Flugblatt schreiben. «Die Pius-Brüder sprechen den Frauen das Recht ab, selbstbestimmt über eine Mutterschaft zu entscheiden.» Zudem werfen die Autonomen der Piusbruderschaft Antisemitismus und Homophobie vor.


KAPO Aargau / 6. Oktober 2013

Aarau: Ruhe und Ordnung durchgesetzt

Im Zusammenhang mit einer bewilligten Kundgebung stellte die Polizei gestern Nachmittag in Aarau Ruhe und Ordnung sicher. Über 20 Störer wurden angehalten und weggewiesen.

Bei der Versammlung in der Aarauer Innenstadt handelte es sich um eine angekündigte und von der Stadt auch bewilligte Kundgebung von Abtreibungsgegnern. Bereits im Vorfeld hatten anonyme Personen aus der linksautonomen Szene dazu aufgerufen, die Veranstaltung zu stören. Bei ähnlichen Anlässen war es in diesem Jahr in anderen Schweizer Städten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Um Ruhe und Ordnung sicherzustellen, war die Kantonspolizei Aargau zusammen mit der Stadtpolizei Aarau und der Transportpolizei der SBB im Einsatz.

Wie angekündigt reisten an diesem Samstagnachmittag, 5. Oktober 2013, etliche Personen aus der linken Szene an. Diese störten dann die friedliche Kundgebung, welche auf der «Igelweid» abgehalten wurde. Nachdem einige der Störer die mündlichen Ermahnungen der Polizei nicht befolgt und Feuerwerkskörper geworfen hatten, entfernten die Einsatzkräfte diese vom Platz. Die Polizei brachte insgesamt knapp über 20 Personen auf den Polizeiposten und belegte sie anschliessend mit einer Wegweisung für 24 Stunden. Im weiteren führte die Polizei verschiedene Personenkontrollen durch.

Die Versammlung löste sich am späten Nachmittag auf.

Aargauer Zeitung / 5. Oktober 2013

Grenzwertig: Polizei greift bei Gegendemo zu den Pius-Brüdern hart durch


Die Polizei führt rund 20 Personen ab, die den Anlass stören oder sich kritisch dazu äussern. Quelle: az Aargauer Zeitung


Keine Chance für die Gegendemonstranten zur heutigen Kundgebung der Pius-Bruderschaft: Die Polizei erstickte jeglichen Protest bereits im Keim. Passanten waren schockiert und sprachen von Polizeigewalt.

von Tim Honegger

Konflikte sind bei einem solchen Anlass programmiert: Die erzkatholische Pius-Bruderschaft mobilisiert ihre Mitglieder, um in Aarau gegen das Recht auf Abtreibung zu demonstrieren.

Die Antwort der Linken liess nicht lange auf sich warten: Die Antifaschistische Aktion Aarau rief online zur Gegendemonstration auf. Doch die Gewalt kam von keinem der beiden Lager, sondern vor allem vonseiten der Polizei. Der unverhältnismässige Einsatz führt dazu, dass über 20 Mal wie Handschellen klickten – bei einer gänzlich friedlichen Kundgebung. Die Festgenommenen wurden für 24 Stunden weggewiesen. Zudem führte die Polizei Personenkontrollen.

F lorian Vock von der Jungsozialisten (Juso) ist entsetzt: «Dass die Polizei Leute vorsorglich mitnimmt und sie somit ihre freie Meinung nicht äussern können, finde ich sehr problematisch.» Mütter, die mit ihren Kindern am Geschehen vorbeiliefen, waren schockiert: «Das ist pure Polizeigewalt – ist ein solches Eingreifen wirklich nötig?», fragte eine von ihnen entsetzt.

Polizeisprecher Bernhard Graser sagte zum Vorwurf des harten Durchgreifens gegenüber Tele M1: «Die Abtreibungsgegner haben einen verfassungsmässiges Recht sich zu besammeln. Leute, die meinen, sie müssen das durch Feuerwerkskörper und Megaphone-Durchsagen stören, werden aus dem Verkehr gezogen. Das ist unsere Aufgabe für Ruhe und Ordnung zu sorgen.»

Festnahmen ohne Grund

Bereits am Bahnhof hielt die Bahnpolizei gemeinsam mit der Kantonspolizei verdächtige Personen fest und nahm deren Personalien auf. Das sollte den autonomen Demonstranten ein erstes Warnsignal sein. Denn bei der Igelweid, wo sich die Stände von Scientology und den Zeugen Jehovas befanden, kannten die Polizisten kein Pardon mehr: Alle verdächtigen Personen wurden umgehend kontrolliert, viele von ihnen direkt in Handschellen abgeführt – ohne, dass der geringste Tatbestand vorlag.

Zwischenrufe nicht toleriert

Zu Beginn schien es, als würde das präventive Abwürgen möglicher Störaktionen für eine ruhige Demonstration sorgen. Fehlanzeige: Als die Piusbrüder zu beten begannen, griff die Polizei bei deren Gegnern hart durch. Einmal schoss die Handvoll, die noch nicht abgeführt worden war, eine Rauchpetarde, einmal tauchte jemand mit einem Megafon auf und rief: «Wir wollen selber über unsere Körper bestimmen». Beide Male klickten die Handschellen. Doch selbst harmlose Zwischenrufe wurden mit hartem Vorgehen quittiert.


Aargauer Zeitung / 20. September 2013

Pius-Brüder demonstrieren in Aarau gegen Abtreibung: Antifa kündet Widerstand an


Wollen in Aarau gegen Abtreibung demonstrieren: Die katholische Pius-Bruderschaft


Am Samstag nächster Woche will die umstrittene Pius-Bruderschaft in Aarau gegen Abtreibung demonstrieren. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen wie in Zürich bei einer ähnlichen Veranstaltung. Die Antifa-Aarau plant denn auch eine Gegendemonstration.

Unter dem Motto «Ja zum Kind» organisiert die erzkonservative Pius-Bruderschaft am 28. September in Aarau eine Demonstration gegen Abtreibung.

Dies macht die Sicherheitsbehörden der Stadt bereits heute nervös. Denn: Bei einer ähnlichen Veranstaltung der umstrittenen Bruderschaft, der auch der britische Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson angehört, kam es in Zürich vor zwei Jahren zu Ausschreitungen. Links-autonome Gruppierungen organisierten eine Gegendemonstration.

Antifa-Aarau kündigt Widerstand an

Das soll auch in Aarau passieren. Die Antifa-Aarau ruft über die Website indymedia.org dazu auf, den katholischen Pius-Brüdern entgegenzutreten.

Um die Situation zu entschärfen und Ausschreitungen vorzubeugen setzen sich die Pius-Brüder und die Stadtpolizei am Freitag kommender Woche an einen Tisch. (rhe)


Aargauer Zeitung / 2. September 2013

Friedlicher Aktionstag von 150 Autonomen
in Aarau


Am Samstag fand in Aarau der dezentrale Aktionstag «Reclaim the City» zu mehr Freiräumen in Schweizer Städten statt. Im Unterschied zu den letzten «Tanz Dich frei»-Aktionen verlief die Veranstaltung ruhig und besonnen.

von Tim Honegger

Selbst wenn es nicht so scheint: Im politischen Untergrund Aaraus brodelt es gewaltig. Die Autonomen drängen mit einer Kampagne für ein autonomes Zentrum auf ein selbstverwaltetes Zentrum in Aarau.

Mit der Aktion «Reclaim the City» liessen sie dies am Samstag die Öffentlichkeit wissen. Auf kreative und ungezwungene Weise nahmen sie die Altstadt in Beschlag.

Freie Nutzung des Raums

Bereits am 8. Juni dieses Jahres traten die Autonomen in Aktion: 2000 Menschen schlossen sich ihnen am nächtlichen Tanzvergnügen an - 450 Polizisten begleiteten die Feiernden.

In trüber Erinnerung bleiben insbesondere die astronomischen Kosten für das - aus autonomer Sicht «völlig unverhältnismässige» - Aufgebot in der Höhe von 500 000 Franken.

Mit «Reclaim the City» wollen die Aktivisten klar machen, dass sie dies nicht hinnehmen wollen. «Die selbstbestimmte Nutzung des öffentlichen Raums darf nicht eine solche Rechnung zur Folge haben», so die Organisatoren in ihrem Flugblatt.

Mit «Reclaim the City» gelang den Aktivisten nun, was beim Tanzvergnügen von Ausschreitungen überschattet worden war: ihre Anliegen an die Öffentlichkeit zu tragen.

Der Anlass fand während des ganzen Tages statt; bereits am Mittag tummelten sich erste Aktivisten in der Altstadt. Obwohl der Anlass betont dezentral konzipiert war, waren die meisten Attraktionen in der Altstadt vorzufinden. «Hier hat es am meisten Publikum», so einer der Autonomen.

Beim Casino-Park verteilten sie kostenlos Rosen, Melonen und Brötchen - alles aus Containern gesammelt, doch in bester Qualität.

«Wir setzen ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft», so einer der Aktivisten.

Zudem verwandelten sie den Schlosspark mit Musik kurzerhand in ein Mini-Festivalgelände. Im Park fand später spontan eine Wasserschlacht statt - zum Unmut der sonnenbadenden Pärchen.

Polizei hatte wenig Arbeit

Mit dieser harmlosen Aktion war der Höhepunkt der Gewalt erreicht. Die Kantonspolizei war zwar mit einem bescheidenen Aufgebot von knapp 20 Beamten vor Ort, blieb aber mehrheitlich im Hintergrund.

So auch bei der Kubb-Partie mitten in der Altstadt: Vier Aktivisten spielten gegeneinander, fünf Polizisten schauten zu. Selbst als die Aktivisten den Fussball auspackten und in der Flaniermeile herumkickten, intervenierte niemand. Dennoch kam es vereinzelt zu Personenkontrollen - verhaftet wurde bis zu m späten Abend indessen niemand.

Mit «Reclaim the City» in Aarau wollten die Aktivisten zeigen, dass «nicht nur eine Handvoll Autonomer und Chaoten» ein autonomes Zentrum fordern, sondern dass dies ein breites Bedürfnis sei.

«Wir lassen uns nicht aus der Stadt drängen», so die Parole im Flugblatt. Und die Autonomen werden weiterhin für ihr Zentrum kämpfen - weitere Aktionen sind bereits in Planung.


Aargauer Zeitung / 1. September 2013

Friedlicher Aktionstag von Autonomen in Aarau

Am Samstag fand in Aarau der dezentrale Aktionstag «Reclaim the City» zu mehr Freiräumen in Schweizer Städten. Im Unterschied zu den letzten «Tanz Dich frei»-Aktionen verlief die Veranstaltung ruhig und besonnen.

Die Aktionsgruppe KAZ teilte am Sonntag in ihrem Communiqué mit, dass der Tag friedlich und ohne polizeiliche Zwischenfälle verlief. Hintergrund der Kundgebung im Schlosspark, im Kasinopark und der Igelweid war eine Gegendemonstration zur unbewilligten Formation Anfang Juni, bei denen es in Aarau zu Zwischenfällen mit hohem Sachschaden kam. Die entstandenen Kosten sollten auf die Organisatoren abgewälzt werden. Auch dagegen wurde protestiert. (cls)


Solothurner Zeitung / 17. August 2013

Radikale Rechte und Linke prügelten sich nach Solidaritätsdemo


Polizisten mit den fünf an der Schlägerei beteiligten Rechtsradikaler vor der Kreuzackerbrücke. Erst nachdem dieses Bild entstanden ist, kam es zur Auseinandersetzung. Quelle: Felix Gerber

Nach der Kundgebung für die Asylbewerber am Donnerstag sind um 19.30 Uhr eine Gruppe Rechtsradikaler und Linksextremer auf dem Solothurner Kreuzackerplatz aneinander geraten. Zwei Männer wurden leicht verletzt, eine Tasche wurde gestohlen.

Die rund fünf kahlgeschorenen Rechten befanden sich auf dem Weg in Richtung Hauptbahnhof, als sie auf dem Kreuzackerplatz von einer grösseren Gruppe Antifaschisten abgepasst wurden. Nach dem Austausch von netten Worten, flogen die Fäuste. Im entstandenen Tumult sprühte einer der Antifaschisten mit Pfefferspray gegen seine Kontrahenten.

Das Rencontre war von kurzer Dauer und trotz improvisierten Schlaggegenständen, wie Holzlatten von einer nahen Baustelle und einem Strassenschild, kam es nur zu zwei leichten Verletzungen auf Seiten der Rechtsextremen. Niemand musste ins Spital.

Die Polizei traf kurze Zeit später mit drei Dienstwagen auf dem Kreuzackerplatz ein. Bis dahin waren die Linksradikalen bereits wieder abgezogen.

Bauchtasche gestohlen

Als einer der Männer am Boden lag, wurde ihm eine Bauchtasche inklusive Telefon und Geld entwendet. Beim mutmasslichen Täter handelt es sich laut Polizei um einen circa 20- bis 25-jährigen Mann, 175 cm bis 180 cm gross und mit längeren blonden, gekrausten Haaren.

Die Polizei sucht Zeugen. (jls)


Aargauer Zeitung / 16. August 2013

Rund 80 Leute protestieren gegen Sperrzonen für Asylbewerber in Bremgarten


80 Personen demonstrieren in Bremgarten gegen Sperrzonen für Asylbewerber Quelle: Tim Honegger

Rund 80 Personen haben am Freitag in Bremgarten AG gegen die Sperrzonen protestiert, welche für die in der Bundesunterkunft einquartierten Asylbewerber gelten. Der «Spaziergang für Grundrechte und Toleranz» war von den Jungsozialisten (JUSO) mitorganisiert worden.

Der Umzug führte am Freitagnachmittag vom Bahnhof durch die Altstadt zur Asylunterkunft sowie zu Schul- und Sportanlagen. Er endete bei der Badeanstalt.

"Keine Apartheid in der Schweiz" und "Für eine Welt ohne Grenzen" - dies war auf mitgetragenen Transparenten zu lesen. Mitorganisatoren des Protests waren die Autonome Schule Zürich und die Bewegung ATD Vierte Welt. Die Polizei beobachtete den Spaziergang und hielt sich im Hintergrund.

Der Spaziergang solle die Normalität zeigen, dass alle Menschen die gleichen Bewegungsfreiheiten hätten, sagte David Roth, Präsident der JUSO Schweiz. "Nicht die Bevölkerung, sondern die Behörden haben auf Panik gemacht."

"Sensible Zonen" in Bremgarten

Für Asylbewerber gelten in Bremgarten die Schul- und Sportplätze gemäss einer Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Bundesamt für Migration (BFM) als "sensible Zonen".

Laut der Vereinbarung dürfen die Asylbewerber diese Anlagen und Plätze von Montag bis Freitag zwischen 7 bis 18 Uhr ohne Zustimmung der Behörden nicht betreten.

Grundrechte sind nicht verhandelbar

Nach Kritik hatte Bundesrätin Simonetta Sommaruga vergangene Woche klargestellt, dass es in Bremgarten und anderswo keine generellen, präventive Badi-Verbote geben werde. Grundrechte seien nicht verhandelbar.

Der Stadtammann von Bremgarten, Raymond Tellenbach, hatte bereits zuvor betont, der Zutritt in allen Zonen sei Asylsuchenden in Begleitung einer Betreuungsperson jederzeit möglich.

Im Truppenlager des Waffenplatzes Bremgarten sollen bis zu 150 Asylbewerber untergebracht werden. Die am 5. August eröffnete Unterkunft wird gemäss Bund höchstens drei Jahre lang betrieben.

Es ist nicht die erste Asylunterkunft, für deren Bewohner Sperrzonen in der Standortgemeinde gelten. Auch rund um andere Bundeszentren dürfen sich die Asylbewerber nicht überall frei bewegen.


Solothurner Zeitung / 15. August 2013

Nach Asylbewerber-Protest: Rechtsradikale tauchen an Demo auf


Die Kundgebung fand unter dem Motto «Für ein gemeinsames Wir und gegen Rassismus und Ausgrenzung» statt Quelle: Felix Gerber

Gegen 100 Sympathisanten zogen am Donnerstag für die Sache der protestierenden Asylbewerber durch die Solothurner Altstadt. Eine kleine Gruppe radikaler Rechter wurde von der Polizei gestoppt.

von Elisabeth Seifert

Von 200 bis 300 Personen sind die Organisatoren der Solidaritätskundgebung ausgegangen. Gegen 100 Sympathisanten waren es, die sich am späteren Donnerstagnachmittag auf dem Areal der GIBS Solothurn versammelten und anschliessend durch die Solothurner Altstadt marschierten.

Unter dem Motto «Für ein gemeinsames Wir und gegen Rassismus und Ausgrenzung» solidarisierten sich mehrere Migranten-Oganisationen mit den Asylbewerbern, die sich mit einem Sitzstreik am Solothurner Bahnhof gegen ihre Unterkunft in Kestenholz gewehrt hatten.

Trotz Zusage: Unia war nicht dabei

Obwohl sie am Mittwoch noch ihre Unterstützung an der Solidaritätsaktion zugesagt hatte, fehlte die Gewerkschaft Unia. «Wir sind enttäuscht», meinte Kadim Catak vom kurdischen Kulturverein der Region Solothurn, der die Kundgebung organisiert hat.

Ferngeblieben sind der Demo auch Repräsentanten von SP und Grünen. Lediglich als Zaungast beobachtet hat das Geschehen Christof Schauwecker, Co-Präsident der Grünen, der sich zu Beginn der Protestaktion mit den Asylbewebern solidarisiert hatte. Zwischen den kurdischen Fahnen flatterten einzig die rot-schwarzen Flaggen des «Bündnisses gegen Rechts» im Wind.

Fünf radikale Rechte angehalten

Die kämpferischen Sprechchöre der Demonstranten verhallten zum allergrössten Teil in den Gassen der Solothurner Altstadt. Einzelne nicht organisierte Jugendliche brachten am Rand der Kundgebung ihr Unverständnis gegenüber der Solidaritätsaktion zum Ausdruck. Auf Konfrontation aus waren lediglich fünf radikale Rechte, die aber von der Polizei im Bereich des Klosterplatzes rechtzeitig gestoppt werden konnten.

SVP: «Gratiswohlstand auf Kosten der Bevölkerung»
«Diese Protestaktion ist verfehlt und kommt einer Demaskierung der effektiven Absichten dieser Gruppierungen gleich», schreibt Roberto Conti von der SVP Stadt Solothurn in einer Medienmitteilung. Man wolle gar nicht Sicherheit, sondern «Gratiswohlstand auf Kosten der Schweizer Bevölkerung». «Mit dieser Aktion und mit der Äusserung solcher Ansichten enden für die SVP sämtliche Integrationsbemühungen für Gruppierungen wie den kurdischen Kulturverein. Sie beweisen, dass sie in unserer Kultur fehl am Platz sind und wir fordern sie auf, so schnell wie möglich in ihr Land zurückzukehren, anstatt unsere Gastfreundschaft weiter zu missbrauchen.» Die SVP verstehe auch nicht, weshalb der Anlass überhaupt von der Polizei bewilligt worden sei. «Damit wird die Stadt Solothurn schweizweit Kopfschütteln auslösen und einen Imageverlust erleiden.» (mgt)


Aargauer Zeitung / 14. August 2013

Musikfest trifft am gleichen Wochenende auf Autonome: Kommt das gut?


Auf das «Nächtliche Tanzvergnügen 3.0» vom Juni in Aarau folgt nun Ende August ein «dezentraler Aktionstag». Quelle: Christoph Voellmy

In Aarau findet zeitgleich das Festival «Musig i de Altstadt» und die Kampagne für ein autonomes Zentrum» (KAZ) statt. Gibt es ein friedliches Miteinander? Wie reagieren die Organisatoren des Musikfestes darauf?

von Katja Schlegel und Manuel Bühlmann

Am letzten August-Wochenende findet in Aarau das Festival «Musig i de Altstadt» statt. Zeitgleich rufen die jungen Anonymen von der «Kampagne für ein autonomes Zentrum» (KAZ) zu einem «dezentralen Aktionstag» auf – jene Gruppierung also, die sich aufgrund des Gebarens einiger Personen anlässlich der unbewilligten Tanzdemo Anfang Juni viele Sympathien verspielt hat (siehe Text rechts).

Nach dieser Ankündigung habe sie erst einmal leer geschluckt, sagt Rosi Luongo, Präsidentin des Organisationskomitees von «Musig i de Altstadt». Inzwischen blicke sie dem Aktionstag aber gelassener entgegen. «Im Grunde genommen ziehen wir alle am gleichen Strick», sagt sie. «Wir bringen mehr Kultur und mehr Musik in die Stadt; das ist ja genau das, was sich diese Leute wünschen.» Auch mit den Ideen und Plänen, die die Autonomen für den Aktionstag hegen – ein Fussballmatch zwischen dem Obertorturm und dem Rathaus, ein Breakdance-Battle im Citymärt, ein Guerilla-Konzert auf dem Schlossplatz, einen Kaffee- und Kuchenstand am Graben –, kann sich Luongo anfreunden.

Pfisterers Appell an Autonome

«Das tönt nach witzigen und innovativen Aktionen», sagt auch Lukas Pfisterer, FDP-Kandidat für das Stadtpräsidium. Aus seiner Sicht sei grundsätzlich nichts Verwerfliches daran, den öffentlichen Raum für sich zu beanspruchen – solange man sich an gewisse Regeln halte. Pfisterer appelliert daher an die Autonomen, sich an diese zu halten: «Die Aktionen dürfen nicht zulasten von ‹Musig i de Altstadt› gehen. Wenn es zu Konflikten mit den Veranstaltern kommen und der bewilligte Anlass beeinträchtigt würde, wäre das sehr schade.»

Jolanda Urech, Kandidatin der SP für das Aarauer Stadtpräsidium, begrüsst es grundsätzlich, «wenn sich junge Leute in die Gesellschaft einbringen und eigene Anliegen formulieren». Allerdings schätze sie es, wenn solche Ideen im direkten Kontakt diskutiert und gemeinsam Lösungen gesucht werden können. «Dass die beiden Veranstaltungen am selben Samstag stattfinden, muss nicht zu Problemen führen», sagt Urech. Zum jetzigen Zeitpunkt wisse man noch gar nicht, was am Aktionstag genau geplant ist. «Problematisch wird es erst, wenn die Aktionen andere Veranstaltungen beeinträchtigen und über den rechtlichen Rahmen hinaus gehen.»

An Konzept und Ablauf des Festivals «Musig i de Altstadt» werde nach Rücksprache mit der Stadtpolizei nichts geändert, sagt Rosi Luongo. «Wir hoffen, dass ein friedliches Nebeneinander entsteht und die Autonomen unseren Anlass nicht stören.» Bei allem Verständnis für das Bedürfnis nach Freiraum – verderben lassen will sich Luongo das Festival auf keinen Fall. «Sollten unsere Künstler bei ihren Auftritten gestört oder übertönt werden, würden wir uns das nicht gefallen lassen.»

Dass in Aarau zeitgleich zwei Grossanlässe stattfinden, fliesse in die Vorbereitungen der Kantonspolizei ein, sagt Mediensprecher Bernhard Graser. «Wir müssen uns überlegen, wo Probleme und Reibungspunkte sein könnten.» Zum Vorgehen und Aufgebot für den Aktionstag kann er zurzeit keine Angaben machen. Die Polizei gehe aber von einem ruhigen Anlass aus.

Die Frage nach der Bewilligung

Offen bleibt die Frage nach der Bewilligung: Ein Gesuch für die Veranstaltung haben die Initianten laut Toni von Däniken, Leiter Stabsdienst der Stadtpolizei Aarau, bis zum Dienstag nicht eingereicht – obwohl der Anlass bewilligungspflichtig wäre. Stadtrat Pfisterer betont: «Die Stadt ist nach wie vor zu Gesprächen mit den Initianten bereit.» Zum fehlenden Gesuch äussert sich auch der dritte Kandidat fürs Stadtpräsidium, der parteilose Martin Häfliger: «Sofern die Organisatoren bisher keine Bewilligung eingeholt haben, findet der Aktionstag eventuell auch gar nicht statt.»

Tanzdemo: Organisatoren sind noch immer nicht gefunden
Rund eine halbe Million Franken kostete der Polizeieinsatz an der letzten Aarauer Tanzdemo im Juni. Danach kündigte das Departement für Volkswirtschaft und Inneres an, die Kosten auf die anonymen Organisatoren der unbewilligten Veranstaltung abzuwälzen. Doch über zwei Monate nach dem «nächtlichen Tanzvergnügen 3.0» hat der Kanton noch
immer keine Rechnung verschickt - die Adressaten fehlen. Die Suche nach den Organisatoren verlief bisher erfolglos, wie Polizeisprecher Bernhard Graser auf Anfrage bestätigt. Auch das im Juni veröffentlichte Bild eines Vermummten, der mutmasslich einen Journalisten mit Pfefferspray attackiert hatte, habe bislang zu keinen brauchbaren Hinweisen geführt, sagt Bernhard Graser. «Wir haben bewusst nur ein einziges Bild öffentlich gemacht, weil nur in diesem Fall einer Person eine Straftat zugeordnet werden konnte.» Schwierigkeiten bereitet der Polizei vor allem die Vermummung der Teilnehmenden. Erschwerend komme hinzu, dass es sich um eine zusammengewürfelte Gruppe an einem anonymen Anlass handle, sagt Graser. Die Organisatoren machten sich bei der Mobilisierung der rund 800 Teilnehmer die Anonymität von Social Media zunutze. «Solange die Chance zur Aufklärung besteht und der Aufwand verhältnismässig ist, werden die Ermittlungen nicht abgebrochen», sagt Graser. Vorläufig werde deshalb weiter ermittelt. (mbü)


SRF / 2. August 2013

Muss der Aargau die Tanzdemo-Kosten selbst bezahlen?


Bildlegende: Die Demonstranten müssen die Polizeikosten vielleicht doch nicht bezahlen. Keystone

Die Aargauer Behörden haben es gross angekündigt: Die Organisatoren der Tanzdemo in Aarau sollen die Polizeikosten übernehmen. Nun zeigt sich, dass das aber nicht so einfach ist.

Es geht um Kosten von rund einer halben Million Franken für den Polizeieinsatz Anfang Juni. Für die Aargauer Behörden ist klar, dass die Steuerzahler diese Kosten nicht alleine übernehmen müssen. Zumindest einen Teil sollen die Organisatoren der Tanzdemo selber bezahlen.

Zwei Monate nach der Demo haben die Behörden aber immer noch keine Rechnungen verschickt. Einerseits ist weiterhin unklar, wer die Demo überhaupt organisiert hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Andererseits gibt es auch rechtliche Bedenken. Darf man die Polizeikosten überhaupt weiterverrechnen? Bei politischen Demonstrationen bezahlt eigentlich der Kanton, heisst es gegenüber dem Regionaljournal Aargau Solothurn von Schweizer Radio SRF. Die Rechtsabteilung prüft nun den Sachverhalt.

Noch immer beschäftigen sich die Aargauer Behörden mit der Tanzdemo von Anfang Juni. Währenddessen haben die jungen Autonomen bereits die nächste Demo angekündigt. Diese soll Ende August in Aarau stattfinden.

Noch ist unklar, wer die Polizeikosten übernimmt. >>>


Aargauer Zeitung / 24. Juli 2013

Autonome lassen nicht locker und planen erneute Demo in Aarau


Tanzdemo vom 8. Juni in Aarau. Quelle: Christoph Voellmy

Die «Nachttänzer» planen am 31. August einen neuen Anlass. Dann soll ein «dezentraler Aktionstag» unter dem Motto «Reclaim the City» stattfinden. Die Anonymen rufen dazu auf, ab 10 Uhr den öffentlichen Raum zurückzunehmen.

von Sabine Kuster und Katja Schlegel

Die jungen Anonymen von Aarau geben nicht klein bei. Im Internet ruft die «Kampagne für ein autonomes Zentrum» (KAZ) auf mehreren Portalen zu einer neuen Veranstaltung auf, es ist die vierte.

Am Samstag, 31. August, soll ein «dezentraler Aktionstag» unter dem Motto «Reclaim the City» stattfinden. Die Anonymen rufen dazu auf, ab 10 Uhr den öffentlichen Raum zurückzunehmen (engl. reclaim): «Spielt, malt, kocht, musiziert, besetzt, inszeniert, feiert ...»

Selbstbewusste Parolen

«Wir lassen uns nicht vorschreiben, wer unter welchen Bedingungen die Stadt nutzen darf», schreiben sie in gewohnt pubertärer Manier in ihrem Aufruf. Es sei ihnen egal, heisst es weiter, ob es gemäss dem Aargauer Polizeigesetz erlaubt sei, Sicherheitskosten für politische Anlässe auf Organisatoren zu übertragen oder ob sich dies aufgrund der Meinungsfreiheit nicht mit der Bundesverfassung vertrage.

«Wir sehen ganz grundsätzlich nicht ein, weshalb wir uns an die Regeln einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung, Konkurrenz, Unterdrückung, Machterhalt und Ausgrenzung funktioniert, halten sollten.»

Stolz schreiben sie, es werde nicht klappen, Aarau mit Drohungen und Strafen sauber, still und angepasst zu machen. «Wir werden uns nicht verkriechen, um darauf zu warten, dass vielleicht irgendwann irgendwelche Bussen eintreffen werden. Selbstverwaltete Freiräume werden nicht erbettelt, sondern erkämpft.»

Dass am nächtlichen Tanzanlass vom 8. Juni 450 Polizisten aufgeboten werden mussten, bezeichnet KAZ als «falsche Einschätzung der Kantonspolizei» unter anderem aufgrund «krawallorientierter Berichterstattung».

Polizeiaufgebot noch unklar

Die Kantonspolizei Aargau hat vom neuen Anlass bereits Kenntnis. Man bereite sich darauf vor, sagt Mediensprecher Bernhard Graser. «Wir nutzen alle Quellen und arbeiten auch mit dem Bund zusammen, um uns aus den Puzzlesteinen ein möglichst gutes Bild zu machen.

Wir müssen jedes Mal neu schauen, wie die Voraussetzungen aussehen. Es gibt kein Konzept, das wir aus der Schublade nehmen können.» Überraschungen gebe es immer wieder, «wohl auch für die Veranstalter», sagt Graser. «Wir hoffen, die Leute bleiben vernünftig und ruhig.» Wie viele Polizisten diesmal aufgeboten werden, will er nicht sagen.

Gleichzeitig «Musig i de Altstadt»

Gut möglich, dass dieser «dezentrale Aktionstag» in einer anderen, bewilligten und weit populäreren Veranstaltung untergeht: Am gleichen Wochenende findet auch das Festival «Musig i de Altstadt» statt.

Der Anlass wird zum neunten Mal durchgeführt und wächst jedes Jahr. Die Stadt steuerte letztes Jahr 10 000 Franken bei – das Polizeiaufgebot der Tanzdemo vom 8. Juni hat laut dem kantonalen Departement für Volkswirtschaft und Inneres rund 500 000 Franken gekostet.


Aargauer Zeitung / 3. Juli 2013

Lotty Fehlmann und Lukas Pfisterer im
(halb) offenen Schlagabtausch



Lukas Pfisterer, Moderator Noel Graber und Lotty Fehlmann an der vom Gewerbeverband organisierten Podiumsdiskussion. Quelle: Kus

Am 22. September stellen sie sich der Wahl ins Stadtpräsidium von Aarau. Die Aspiranten für Guignards Nachfolge, Stadtrat Lukas Pfisterer und Einwohnerrätin Lotty Fehlmann Stark, stellten sich im «Einstein» erstmals gemeinsam den Fragen der Wähler.

von Hubert Keller

Was sie denn zur Kandidatur für das Stadtpräsidium prädestiniere? Verbundenheit mit der Stadt, politische Erfahrung, Engagement. Die Antworten auf die Einstiegsfrage waren noch austauschbar. Sie waren nicht mehr austauschbar, als es ans Eingemachte ging, an Themen wie Finanzen, Tanzdemo, Schulraumplanung oder Littering.

Lotty Fehlmann Stark, die SP-Kandidatin, und Lukas Pfisterer, der FDP-Kandidat, stellten sich zum ersten Mal gemeinsam den Wählern. Das Podium im «Einstein» hatte der Gewerbeverband Aarau organisiert.

Rund 70 politisch interessierte Leute, die meisten selber in politischen Ämtern tätig, aber querbeet aus allen politischen Parteien, kamen in den Genuss eines lebhaften Streitgesprächs, das die zum Teil stark divergierenden Positionen deutlich machte.

Der Positiionsbezug gehörte ja auch zur Übungsanlage. Wie sagte doch der Präsident des Gewerbeverbandes, Thomas Hilfiker: «Wir wollen wissen, wer Aarau künftig regiert.»

Radio Argovia-Moderator Noel Graber leitete das Gespräch als Frage- und Antwortspiel, setzte Thesen und liess die beiden Kandidierenden alternierend antworten. Die klare Gesprächsanlage konnte ein Scharmützel in Sachen Schulraumplanung nicht verhindern. Es hatte sogar seine Fortsetzung, als das Publikum zur Diskussion zugeschaltet wurde.

Scharmützel zum Thema Schule

Fehlmann hielt ihrem Kontrahenten vor, als Stadtrat diverse Vorlagen nicht wirklich glücklich gemanagt zu haben.
Die eingeweihten Zuhörer wussten, dass es sich nur (oder vor allem) um die Schulraumplanung und die Erweiterung des Gönhardschulhauses im Besonderen handeln konnte, mit der Pfisterer im Einwohnerrat am 25. Februar gescheitert war. «Seit Anfang Jahr bläst im Einwohnerrat ein anderer Wind», sagte Pfisterer und vermutet hinter «verbalen Entgleisungen» Wahlkampf.

Lotty Fehlmann bekam von ihrem Fraktionskollegen Jürg Knuchel Support, der im Einwohnerrat im Februar eine rhetorische Breitseite gegen Pfisterers Schulraumpolitik abgefeuert hatte:

Wenn er eine verfehlte Schulraumpolitik kritisiere, so sei dies keine verbale Entgleisung, für die er sich entschuldigen müsse. Knuchel erwartet von Pfisterer, «zu seiner Verantwortung zu stehen und nicht Wahlkampf vorzuschieben, wenn er auf seine Verantwortung behaftet» werde.

Lukas Pfisterer blieb ruhig, profitierte insgesamt von seinen Dossierkenntnissen als Stadtrat und beanspruchte deshalb auch mehr Redezeit als Einwohnerrätin Lotty Fehlmann Stark, die weniger konkret wurde und auch etwas positiver Ausstrahlung vermissen liess (die beiden Politiker standen allerdings im Halbschatten, da half alles Strahlen nichts. Ein Spot hätte der Veranstaltung gut getan).

«Wir sind die Nummer 1»

Den Vergleich mit Baden kann Aarau allemal aushalten. Davon sind beide Aspiranten auf Guignards Sitz überzeugt: «Oft machen wir uns selber klein», sagte Fehlmann, «wir sind nicht die zweite Garnitur im Aargau.»

Und Pfisterer stellte klar: «Wir sind die Nummer 1, eine tolle Stadt mitten im Herzen des Mittellandes.» Zudem habe Aarau grosses Entwicklungspotenzial, das Pfisterer vor allem im Torfeld Süd festmacht.

«Wir müssen mit den Entwicklungsprojekten vorwärts machen, das Stadion muss endlich gebaut und die zweite Bahnhof-Etappe vorangetrieben werden.

«Aarau ist nicht sehr gross, bewältigt aber enorm grosse Aufgaben», erklärte SP-Frau Fehlmann und erinnerte an ihr im Einwohnerrat eingereichtes Postulat: «Eine Stadt - eine Region».

Sie sprach sich für eine verstärkte Zusammenarbeit aus, für «einen Zusammenschluss, wenn die Zeit dafür reif ist». Dies dürfe aber nicht aus der Optik geschehen: «Wir sind Aarau, und ihr Nachbarn habt die Gnade, mit uns zusammenzukommen.»

Unterricht und Sensibilisierung

Welche Gemeinde beschäftigt das Thema nicht, und Aarau im besonderen? Littering. «Ein leidiges Thema», sagte Pfisterer, «und ein Kinderstuben-Problem».

Er unterstrich die Bedeutung des «Abfallunterrichts» an den Schulen. In den Genuss dieser pädagogischen Massnahme soll seiner Meinung nach jedes Schulkind drei Mal kommen. «Aber», so Pfisterer, «wo nötig und möglich soll das Polizeireglement durchgesetzt und sollten Abfallsünder bestraft werden.»

«Abschreckung genügt nicht», gab Lotty Fehlmann zu bedenken, und lobte als gutes Beispiel die von Andres Brändli ins Leben gerufene «Güselwehr», die dazu diene, die Leute für das Problem zu sensibilisieren.

«Ich setze weniger auf Drohung und Abschreckung als auf Sensibilisierung und soziale Kontrolle, indem die Stadtbewohner die Zivilcourage aufbringen, Abfallsünder zu mahnen.»

Die Hausaufgaben und «Stabilo2»

Die Stadt sauber zu halten, kostet Geld - und Geld ist in Aarau zum Dauerthema geworden. «Wo werden Sie sparen, Herr Pfisterer?» Moderator Graber und das Publikum bekamen keine konkrete Antwort, auch von Fehlmann nicht.

Pfisterer: «Wir fahren ein Auto, für das wir den Most nicht bezahlen können.» - «Wir müssen die Hausaufgaben noch machen». Und diese sind gemäss Pfisterer mit dem Projekt zur Sanierung des Finanzhaushalts, Stabilo 2, zu leisten.

Fehlmann, die in der Begleitkommission von Stabilo 2 sitzt, konterte: «Mit Stabilo 2 erreichen wir einen ausgeglichen Haushalt knapp mit Massnahmen, die nicht mehrheitsfähig sind.» Ein Ausgleich sei mittelfristig nicht möglich. Immerhin meinte sie, dass zu viel in Infrastrukturbauten investiert werde.

Herr Pfisterer, Frau Fehlmann, was macht Sie zum besseren Stadtpräsidenten, zur besseren Stadtpräsidentin? «Ich orientiere mich an den Menschen, kann sehr gut zuhören und arbeite lösungsorientiert», sagte Fehlmann.

«Ich weiss, wie der Dampfer Aarau funktioniert, das ist wichtig, wenn gleich vier aus der Exekutive ausscheiden», sagte Pfisterer. Er führe zielorientiert.

Steuerfuss 94 oder 98 Prozent?

Und dann stellte Argovia-Moderator Graber die Gretchenfrage: «Was für einen Steuerfuss hat Aarau in fünf Jahren? Pfisterer, wie aus der Pistole geschossen: «94 Prozent.» Fehlmann, sie braucht Zeit zum Überlegen: «98 Prozent».

Und dann war da noch die Tanzdemo am 8. Juni. Mit den Social Media sei die Mobilisierung zu solchen Veranstaltungen kein Problem, aber auch kaum zu kontrollieren, erklärte Fehlmann.

Während der grosse Teil friedlich demonstriere, seien wenige für die Ausschreitungen verantwortlich. Und deshalb sei die Polizei zwar nötig, auch wenn sie sich zurückhalten sollte. «Hartes Durchgreifen ist nicht nötig.»

Pfisterer sagte dezidiert, dass es sich bei dieser Demo um mehr handle als nur um ein Tanzvergnügen: «Die Leute bewegen sich bewusst ausserhalb der Legalität und wollen den öffentlichen Raum besetzen - zulasten der Allgemeinheit und ohne Bewilligung.» Und deshalb müssten die Demo-Teilnehmer damit rechnen, dass sie auf Widerstand vonseiten der öffentlichen Hand stossen.»


Aargauer Zeitung / 21. Juni 2013

Tanz-Demo: Polizei sucht Chaot, der mit Pfefferspray auf Journalist losging


Die Polizei sucht den Chaoten der Tanz-Demo, der mit einem Pfefferspray auf einen Journalisten losging. Quelle: Kapo AG

Ein Medienschaffender wurde am Rande der Tanz-Demo vom 8. Juni in Aarau mit einem Pfefferspray attackiert. Danach ging bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige ein. Die Polizei sucht nun den Unbekannten mit einem Bild.

Bei der Tanz-Demo vom Samstag, 8. Juni, in Aarau wurden drei Personen durch einen Pfefferspray-Einsatz angegriffen. Ein unbekannter, maskierter Teilnehmer näherte sich in einem Fall gezielt einem Journalisten und setzte den Pfefferspray ein.

Die Kantonspolizei leitete ihre Ermittlungen ein und es liegt eine Stafanzeige gegen Unbekannt vor. Die Polizei sucht den Unbekannten per Bild und einer Personenbeschreibung (siehe Box).

Ausserdem versucht die Polizei, zwei weitere Vorfälle (Attacken gegen Kantonspolizisten) zu klären. Hinweise zum unbekannten Mann sind an die Kantonspolizei Aargau, Fahndung West in Buchs (062 835 80 20) zu richten.

Die Polizei war an der unbewilligten Kundgebung, an der mehr als 800 Personen teilnahmen, stark präsent und konnte Gewalt und Sachbeschädigungen verhindern. (ahu)

So beschreibt die Polizei den Unbekannten
Unbekannter Mann, zirka 17-23 Jahre, ca. 170 cm gross, schlanke Statur, vermutlich dunkle kurze Haare, Raucher, trug schwarzen Kapuzenpullover mit der Kapuze über den Kopf gezogen, schwarze Schirmmütze mit grau-grünem Emblem, schwarze Sonnenbrille, schwarze Hosen mit Beintaschen, schwarze Adidas-Turnschuhe mit weissen Streifen, führte schwarzen Nylonsack mit.



WOZ / 20. Juni 2013

Der gute Aargau. Und der schlechte.

Von Corsin Zander

Am Wochenende vom 8. Juni 2013 tanzte die Jugend auf dem Flugplatz Birrfeld und in der Aarauer Innenstadt. Die «Aargauer Zeitung» («az») titelte: «Guter Aargau, schlechter Aargau». Der «gute Aargau»: das Argovia-Fäscht auf dem Birrfeld, mit 45 000 PartygängerInnen und Konzerten von Baschi oder Sean Paul. Organisator: Radio Argovia, wie die «az» Teil der AZ Medien.

Der «schlechte Aargau»: die «Tanz dich frei»-Demonstration in Aarau mit 800 Personen, die ein autonomes Zentrum forderten. Organisator: Unbekannte, die sich «aktive NachttänzerInnen» nennen. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden zwei Polizisten und ein Journalist von Tele M1 (Teil der AZ Medien) mit Pfefferspray attackiert, einem «az»-Fotografen wurde die Kamera zerstört. Ansonsten kam es zu keinerlei Gewalt oder Sachschäden. Die AktivistInnen sammelten gar den Abfall ein.

Anders die Bilanz im «guten Aargau»: Beim Argovia-Fäscht kam es zu etlichen Schlägereien. Ein 24-Jähriger wurde mit mehreren Brüchen ins Spital eingeliefert, ein 20-Jähriger festgenommen. Mehrere Personen erlitten leichte bis mittelschwere Verletzungen. Noch Tage nach dem Fest sammelten ArbeiterInnen die zwanzig Tonnen Müll ein, die die BesucherInnen hinterlassen hatten.

In ihrer ersten Berichterstattung verschwieg dies die «az». Es hätte nicht ins Bild des «guten Aargaus» gepasst. Anders die aktiven NachttänzerInnen. Sie verteilten in der darauffolgenden Woche ein Flugblatt im Design der «az» und nannten es «Neutrale Aargauer Zeitung?» («naz»). Darin kritisierten sie die Berichterstattung der «az», distanzierten sich zugleich von den Übergriffen auf die «az»-Journalisten und die Polizisten und lobten die Zurückhaltung der Kantonspolizei.


Aargauer Zeitung / 15. Juni 2013

Aarauer Nachttänzer, helft den Behörden!


Quelle: Christoph Voellmy

Die Tanz-Demo vom vergangenen Samstag hat eine Stange Geld gekostet. Für die Leser ist klar, die Verursacher von Extrakosten sollen diese auch selber bezahlen.

von Thomas Röthlin

Kann der Kanton Aargau einfach so seinen Polizeieinsatz am «Nächtlichen Tanzvergnügen» vom letzten Samstag in Aarau den Organisatoren weiterverrechnen?

Wenn man die Leser fragt, ist der Fall klar: «Hoffentlich müssen die Verursacher von Extrakosten diese auch bezahlen», lautet einer von vielen ähnlichen Kommentaren auf www.aargauerzeitung.ch. «Ansonsten muss man sich überlegen, einen Teil der Kantonssteuern nicht mehr zu bezahlen.»

Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Er entscheidet, wie viele Polizisten es braucht, um eine Tanzdemonstration im Zaum zu halten. Muss er also auch für die Kosten geradestehen? Wenn man den Politikwissenschafter fragt, dann findet er die Weiterverrechnung «sehr problematisch».

Es sei unklar, wer darüber entscheide, ob ein Aufgebot verhältnismässig sei oder nicht, sagt der vorsitzende Direktor des Zentrums für Demokratie Aarau Daniel Kübler.

Wo liegt nun die Wahrheit: näher beim Steuerzahler, der keine Kosten übernehmen will, oder beim Demokratieforscher, der das Verursacherprinzip hinterfragt?

Das Polizeigesetz gibt dem Steuerzahler recht. Es sieht explizit eine «Abgeltung polizeilicher Leistungen» vor. Sogenannter Kostenersatz verlangt werden kann von «Veranstaltern» von Anlässen, zum Beispiel Fussballmatches, aber auch von «Störern», die vorsätzlich oder fahrlässig agieren.

Die dazwischen liegende Personenkategorie heisst «Verursacher» und trifft wohl am besten auf Organisatoren von unbewilligten Veranstaltungen zu, wie es das «Tanzvergnügen» war.

Das kantonale Innendepartement ist also rechtlich auf der sicheren Seite, wenn es versucht, «die Kosten auf juristischem Weg einzufordern», wie Generalsekretär Hans Peter Fricker sagt.

Gesetze sind aber auch Auslegungssache. Vertieft mit dem Thema befasst hat sich der Jurist Stefan Leutert, der 2005 über die «Polizeikostentragung bei Grossveranstaltungen» doktorierte.

Er schrieb damals in der Zeitung «Der Bund» anlässlich des World Economic Forum in Davos: «Bei ideellen Veranstaltungen wie Demonstrationen (...) muss der Staat einen Grossteil der Sicherheitskosten tragen.»

Aber auch: «Von solchen (teilweise) kostenlosen staatlichen Sicherheitsleistungen kann allerdings nur profitieren, wer seine Grundrechte friedlich wahrnimmt.»

Das heisst, zumindest bei jenen Vermummten, die in Aarau mit Pfefferspray auf Polizisten losgingen, wäre gemäss enger Auslegung des Polizeigesetzes theoretisch etwas zu holen. Das Problem: Die Chaoten sind ebenso unbekannt wie die Organisatoren, die friedlich blieben.

Die Polizei muss alles daransetzen, die Störenfriede ausfindig zu machen. Die halbe Million, die der Sondereinsatz gekostet hat, ist kein Pappenstiel. Und darauf zurückzuführen, dass man nach dem «Tanz dich frei» in Bern mit einer Eskalation rechnen musste.

D ie «Nachttänzerinnen» von Aarau üben sich derweil lieber in Selbstgefälligkeit, statt sich von den Chaoten zu distanzieren. Am Donnerstag verteilten sie in Aarau ein anonymes Schreiben, in dem sie sich für ihren «Mut» loben, die «Verantwortung» für die Tanzdemo auf sich genommen zu haben.

Wenn es ihnen damit tatsächlich ernst wäre, dann würden sie der Polizei helfen. Wie das gehen könnte, macht der Kanton Bern vor, wo man im Internet Fotos und Videos von den Chaoten hochladen kann. Am Montag werden sie zwecks Identifikation online veröffentlicht. Das Beweismaterial darf übrigens auch anonym eingereicht werden.


Aargauer Zeitung / 11. Juni 2013

450 Polizisten für 800 Nachttänzer: Tanzdemo kostete 500'000 Franken


Viel Polizei, hohe Kosten: Tanzdemo auf Aarauer Strassen. Quelle: Christoph Voellmy

Der Polizei-Einsatz an der Tanzdemo vom Samstag kostete bis zu einer halben Million Franken. Nun sollen die Organisatoren zahlen. Das Departement für Volkswirtschaft und Inneres beabsichtigt, die Kosten auf sie abzuwälzen.

von Manuel Bühlmann

Etwa 800 Personen tanzten am Samstagabend in Aarau durch die Nacht. Bis auf einige kleinere Zwischenfälle ging das «Nächtliche Tanzvergnügen 3.0» friedlich über die Bühne.

450 Polizisten wären für den Fall einer Eskalation bereitgestanden. Zum Vergleich: Bei der letzten Tanzdemo im vergangenen September standen 125 Polizisten im Einsatz.

Die Steuerzahler kostete das rund 120'000 Franken. Angesichts der Krawalle in Bern vor zwei Wochen wurden diesmal deutlich mehr Einsatzkräfte aufgeboten als ursprünglich geplant.

Mit Kosten zwischen 400'000 und 500'000 Franken rechnet denn auch Hans Peter Fricker, Generalsekretär des Departements für Volkswirtschaft und Inneres. Davon seien 50'000 bis 100'000 Franken eigentliche Mehrausgaben, die unter anderem für die Nachtzuschläge oder die ausserkantonalen Einsatzkräfte anfallen (siehe Box).

Die Einsatzstunden der eigenen Polizisten fehlen nun bei der Bearbeitung von Straffällen und der Erfüllung der übrigen Aufgaben der Kantonspolizei, sagt Fricker.

Kanton Aargau betritt Neuland

Die Organisatoren der unbewilligten Demonstration wollen anonym bleiben. Der Polizei liegen nun aber Anhaltspunkte zu ihrer Identität vor. Den Veranstaltern droht eine hohe Rechnung. Das Departement für Volkswirtschaft und Inneres beabsichtigt, die Kosten auf sie abzuwälzen.

«Neuland» sei dies für den Kanton Aargau, sagt Hans Peter Fricker. «Es ist wichtig, ein Signal zu setzen.» Ob den Verantwortlichen die gesamten Kosten verrechnet werden können, sei Gegenstand von Abklärungen.
«Wir werden sicher probieren, die Kosten auf juristischem Weg einzufordern.» Hans Peter Fricker will dazu beim kantonalen Polizeigesetz anknüpfen. Dort ist unter Paragraf 55 festgehalten, dass unter bestimmten Bedingungen Kostenersatz von Veranstaltern verlangt werden kann.

Der Grundsatz, wonach die Polizeikosten bei Grossveranstaltungen auf die Verantwortlichen abgewälzt werden können, sei in der Schweiz anerkannt, sagt Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Rechtsgrundlage sei in der Regel das kantonale Polizeigesetz.

Das bestätigt auch Stefan Leutert, der seine Dissertation zur «Polizeikostentragung bei Grossveranstaltungen» geschrieben hat. Bei ideellen Veranstaltungen wie Demos könne der Staat weniger Kosten in Rechnung stellen als bei kommerziellen Anlässen wie Fussballspielen, sagt Leutert.

Keinen grossen Einfluss auf die Kostenübertragung habe indes die Frage, ob ein Anlass bewilligt oder unbewilligt sei. «Die freie Meinungsäusserung ist auch ohne Bewilligung geschützt.» Ganz verrechnet werden könne jedoch die Differenz, die anfalle, weil der finanzielle Aufwand bei unbewilligten Demonstrationen höher sei.

Wie viel der Kanton Aargau letztlich zurückfordern kann, ist auch für Leutert nicht abschätzbar. Schweizweit gebe es kaum Fälle dieser Art, sagt er.

Geringe Erfolgschancen

Daniel Kübler, Direktor des Zentrums für Demokratie in Aarau und Professor für Politikwissenschaften an der Uni Zürich, findet das Verrechnen von Polizeieinsätzen «sehr problematisch». Es sei unklar, wer darüber entscheide, ob ein Aufgebot verhältnismässig sei oder nicht.

Zudem sei es schwierig, die Verantwortlichen einer solchen Veranstaltung zu bestimmen. «Realistisch gesehen muss man davon ausgehen, dass der Kanton das Geld nicht zurückbekommt.»

Den Vorwurf, 450 Polizisten für einen mehrheitlich friedlichen Anlass seien zu viel, lässt Fricker nicht gelten. «Insbesondere nach den Vorfällen in Bern mussten wir uns für alle Fälle wappnen.»

Im Vorfeld habe man nicht genau gewusst, ob auch Gewalt suchende Teilnehmer nach Aarau kommen würden. Für den Fall einer Eskalation müsse man vorbereitet sein – auch zum Schutz der Polizisten.

Grosseinsatz: Ausserkantonale Hilfe

Mit dem Argovia-Fäscht und dem «Nächtlichen Tanzvergnügen» standen am Wochenende gleich zwei Grossveranstaltungen an. Ohne ausserkantonale Hilfe war dies für die Aargauer Polizei nicht zu bewältigen. 97 Polizisten aus den Kantonen Bern und Basel-Landschaft unterstützten im Rahmen des Polizei-Konkordats ihre Aargauer Kollegen bei der Tanzdemonstration. «Ausserdem hat die Kantonspolizei alle eigenen Kräfte mobilisiert», sagt Hans Peter Fricker, Generalsekretär des Innendepartements. Rund 290 Beamte der Kapo standen am Samstag in Aarau im Einsatz, unterstützt von der Transport- und Stadtpolizei. Insgesamt waren rund 450 Personen im Einsatz, darunter auch Sanitätspersonal und Logistiker. Fricker spricht von einer «grossen Belastung für die Polizisten».


SRF / 10. Juni 2013

Nach Tanzdemo in Aarau: «Wir werden Rechnungen schreiben»


Bildlegende: Zwei Polizisten pro Teilnehmer: Das massive Dispositiv am Samstagabend hat hohe Kosten verursacht. Keystone

Gegen eine halbe Million Franken kostete der Polizeieinsatz am Samstagabend in Aarau. Die unbewilligte Demonstration von Jugendlichen wurde von 450 Polizeibeamten begleitet. Nun will der Kanton Aargau unbedingt die Veranstalter ausfindig machen - und Rechnungen schreiben.

800 Jugendliche liefen und tanzten am Samstagabend durch die Aarauer Innenstadt. Sie wurden von 450 Polizisten begleitet. 100 Beamte mussten aus anderen Kantonen aufgeboten werden. Dieser massive Polizeieinsatz sei nötig gewesen, weil es im Vorfeld keine Absprachen mit den Veranstaltern gegeben habe, erklärt Hans Peter Fricker, der Generalsekretär des Innendepartements.

Die Demonstration war nicht bewilligt, die Veranstalter haben sich nicht zu erkennen gegeben. Grössere Ausschreitungen gab es zwar nicht, der Umzug mit Lautsprecherwagen habe aber zu mehrstündiger Lärmbelästigung geführt, erklärt Hans Peter Fricker. Daneben meldete die Polizei zwei Attacken mit Pfefferspray gegen ihre Beamten.
Hinweise auf mögliche Veranstalter

«Es bleibt ein schaler Nachgeschmack», konstatiert Fricker im Gespräch mit dem «Regionaljournal Aargau Solothurn» von Radio SRF. Vor allem aber bleibt ein heftiges Loch in der Staatskasse: Der Gesamtaufwand für den Polizeieinsatz schlage mit 400'000 bis 500'000 Franken zu Buche, erklärt Hans Peter Fricker. «Eine bewilligte und abgesprochene Demonstration wäre 50'000 bis 100'000 Franken günstiger gewesen.»

Der Kanton will die bisher unbekannten Veranstalter für diese Kosten haftbar machen. «Die Polizei hat von 50 Teilnehmenden die Personalien aufgenommen. Es gibt Hinweise dafür, dass sich darunter auch Veranstalter befinden», erklärt Hans Peter Fricker. Und: «Auch die Vermieter der am Umzug beteiligten Fahrzeuge konnten uns Hinweise liefern.»

«Wir werden mit aller Konsequenz versuchen, diese Kosten in Rechnung zu stellen.» Hans Peter Fricker

Fricker gibt sich optimistisch und kämpferisch: «Wir werden mit aller Konsequenz versuchen, die Verantwortlichen zu finden und ihnen die Kosten in Rechnung zu stellen.» Diese Konsequenz soll wohl auch weitere anonyme Veranstalter abschrecken. «Wir wollen keine Häufung solcher illegalen Demos», sagt Fricker.

Keine Kosten für bewilligte Demonstrationen

Die Versammlungsfreiheit sei durch diese Massnahmen nicht in Frage gestellt, erklärt der Departementssekretär von Innenminister Urs Hofmann. «Bei bewilligten Demonstrationen wie zum Beispiel dem 'Menschenstrom gegen Atom' haben wir die Aufwendungen der Polizei nicht in Rechnung gestellt.»

Unbewilligte Demonstrationen wie in Aarau würden laut gängiger Gerichtspraxis aber nicht als demokratisch legitimierte Versammlungen betrachtet, erklärt Fricker weiter. Deshalb gelte hier das Polizeigesetz. Und dieses verlangt, dass Veranstalter für die Sicherheitskosten selber aufkommen.

Ob die Verantwortlichen der Tanzdemo in Aarau tatsächlich zur (finanziellen) Verantwortung gezogen werden können, das ist im Moment noch offen. Wenn es klappt, dann wäre es ein Signal für andere illegale Veranstalter. Ein Signal gegen solche illegalen Demonstrationen.

Hans Peter Fricker: «Wir haben Anhaltspunkte, wer hinter der Veranstaltung steckt» (10.06.2013) – Audiobeitrag >>>


Aargauer Zeitung / 10. Juni 2013

Freiheit kann so schön sein, man muss nur vermummt sein


Quelle: Stefan Stalder

Aarau feiert und Jugendliche fordern damit ein autonomes Zentrum in der Stadt Aarau. Sie wollen Freiheit, über die sie aber selber stolpern. Ein Kommentar zum Geschehenen am Samstagabend in Aarau, der Tanzdemo «Tanz dich frei».

von Aline Wüst

Es muss ein erhabenes Gefühl sein: Ein paar Klicks im Internet, drei Musikwagen organisieren, vegane Sandwichs streichen und schon hält ganz Aarau den Atem an.

Dann vermummt man sich, wirft Knallpetarden gegen Polizisten, sprüht Pfefferspray in ihr Gesicht, um «ihnen zu zeigen, wie wenig man von ihnen hält». Ach, diese Freiheit.

Man vergleicht sich mit dem ägyptischen Volk, das gegen einen Diktator auf die Strasse ging.

In Aarau gibts zwar keinen Diktator, was solls, die Stadträtin tuts auch. Weg mit ihr! Schliesslich hat man mehr als einmal geschrien, dass man nun subito ein autonomes Zentrum will.

Freiheit kann so schön sein, man muss nur vermummt sein. Denn die Angst, dass Eltern oder Lehrmeister etwas vom Wunsch nach einem autonomen Zentrum erfahren, die muss gewaltig sein.

So gewaltig, dass man dafür andere Rechte mit Füssen tritt. Zum Beispiel die Pressefreiheit.

Während der Kundgebung am Samstag rissen Vermummte einem Fotografen der Aargauer Zeitung die Kamera aus der Hand und zerstörten sie. Einem Videojournalisten sprühten sie Pfefferspray ins Gesicht. Begründung: «Scheiss Medien.»

Wenn die Autonomen schon grosse Vergleiche ziehen, darf nicht unerwähnt bleiben: Medienschaffende anzugreifen, ist auch in Diktaturen beliebt.

Ach, die arme Freiheit. Alle berufen sich auf sie. Sie fordert alle heraus, weil sie für jeden gilt. Damit wird sie schnell zum Stolperstein für die, die sich auf sie berufen und dafür die Freiheit anderer beschneiden.


Tagesanzeiger / 9. Juni 2013

Mehrere Hundert Teilnehmer an «Tanzdemo» in Aarau


Friedliche Tanzdemo: Demonstranten in Aarau. (8. Juni 2013) Bild: Keystone

Laute Musik, ein paar Vermummte und ein wenig Feuerwerk: Ein Protestzug ist ohne Bewilligung durch die Aarauer Innenstadt gezogen. Die Polizei tolerierte die Kundgebung.

Mehrere Hundert Personen haben sich am Samstagabend in Aarau an einer Protestkundgebung für ein autonomes Zentrum beteiligt. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort. Die «Tanzdemo» war nicht bewilligt, wurde jedoch geduldet. Sie verlief bis am späten Abend friedlich.

Der Umzug der mehrheitlich jungen Menschen setzte sich kurz vor 21.30 in Bewegung und führte zunächst durch die Bahnhofstrasse. An der Spitze der Kungebung liefen eine Handvoll Vermummte und trugen ein grosses Transparent.

Laute Musik

An der «Tanzdemo» fuhren drei Lieferwagen mit sehr lauter Musik mit. Vereinzelt zündeten die Teilnehmenden Feuerwerk, Leucht- und Knallpetarden. Der Umzug verlief bis 22.30 Uhr friedlich und ohne Zwischenfälle. Die Polizei war sehr präsent und begleitete die «Tanzdemo».

Die Kundgebung sei nicht bewilligt, jedoch toleriert, sagte Urs Winzenried, Kommandant ad interim der Aargauer Kantonspolizei, vor Ort gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Sobald es Straftaten oder Ausschreitungen gebe, werde eingeschritten.

Zum «Nächtlichen Tanzvergnügen 3.0» war seit Wochen anonym im Internet sowie über Social-Media-Plattformen aufgerufen worden. Die Organisatoren lehnten Gespräche mit dem Aarauer Stadtrat und Vertretern der Polizei wortreich ab.

An der Kundgebung wurden mehr selbstverwaltete Freiräume und ein autonomes Zentrum Aarau gefordert.

Regierung für pragmatisches Vorgehen

Bereits bei der «Tanzdemo» im September 2012 hatte die Polizei auf ein pragmatisches Vorgehen gesetzt. Die Kantonsregierung stützte dieses Vorgehen.

Bei einer Verhinderung der Kundgebung müsste damit gerechnet werden, dass es zu einer Eskalation der Gewalt kommen könne, schrieb die Regierung im Mai in der Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss.

Die Beeinträchtigung von Ruhe und Ordnung wäre gemäss Regierungsrat erheblich grösser, als wenn die Veranstaltung durch die Polizei engmaschig überwacht und begleitet wird.

In Bern hatte Ende Mai die zunächst friedlich verlaufene «Tanz-dich-frei«-Veranstaltung in Krawallen mit 50 Verletzten geendet. Über 60 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Militante Randalierer verursachten einen Sachschaden von mehreren Hunderttausend Franken.


Aargauer Zeitung / 9. Juni 2013

Demonstranten spielen Fussball mit Kamera eines Journalisten


Die Kamera des Fotografen ist völlig zerstört. Quelle: az Aargauer Zeitung

Die Tanz-dich-frei-Demo verlief grösstenteils friedlich. Doch gegenüber den Medien hörte der Spass auf: Demonstranten gingen einen Fotografen der «Aargauer Zeitung» an und zerstörten seine Kamera. Auch ein Tele-M1-Journalist wurde angegriffen.

Tanz dich frei: Doch als ein Fotograf der «Aargauer Zeitung» die Demonstration im Bild festhalten wollte, würde er plötzlich stark bedrängt. Der Fotograf sagte gegenüber azonline: «Ich wurde vom Schwarzen Block während des Fotografierens angegangen und meine Kamera wurde mir weggenommen.» Mit der Kamera spielten die Demonstranten Fussball. Am Schluss konnte er nur noch die Reste einsammeln. Das Ganze passierte am Samstagabend gegen 23.30 Uhr an der Schiffländestrasse in Aarau.

Zum Glück hat der Fotograf die Kamera versichert. So muss er bloss den Selbstbehalt berappen. Eine Anzeige gegen Unbekannt wird er aber trotzdem einreichen.

An der gleichen Veranstaltung wurde auch ein Tele-M1-Journalist angegriffen. Ein Demonstrant sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht, während ein anderer Demo-Teilnehmer ihm zujubelte. Der Journalist musste sich ärztlich behandeln lassen. Auch er will eine Strafanzeige gegen Unbekannt einreichen. (fam)


Aargauer Zeitung / 9. Juni 2013

Bei Tanz-dich-frei wurden zwei Polizisten gezielt mit Pfefferspray attackiert


Quelle: Christoph Voellmy

Als rund 800 Demonstranten gegen 22.20 Uhr in der Altstadt auf die Polizei trafen, heizte sich die Stimmung kurz auf. Einige Demonstranten setzten Pfefferstray gegen zwei Polizisten ein, auch ein Medienvertreter war davon betroffen.

Rund 800 Personen haben sich am Samstagabend in Aarau an einer Protestkundgebung für ein autonomes Zentrum beteiligt. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort. Insgesamt wurden 450 Polizisten aufgeboten. Die "Tanzdemo" war nicht bewilligt, wurde jedoch geduldet. Gemäss Polizei verlief die Kundgebung mehrheitlich friedlich.

Der Beitrag von TeleM1

Der Umzug der mehrheitlich jungen Menschen setzte sich kurz vor 21.30 Uhr in Bewegung und führte zunächst durch die Bahnhofstrasse und weiter durch die Innenstadt. An der Spitze der Kungebung liefen mehrere Vermummte und trugen ein grosses Transparent.

An der "Tanzdemo" fuhren drei Lieferwagen mit sehr lauter Musik mit. Vereinzelt zündeten die Teilnehmenden Feuerwerk, Leucht- und Knallpetarden. Die Polizei war sehr präsent und begleitete die "Tanzdemo" auf der gesamten Strecke.

Sie sicherte gefährdete Objekte wie Bankfilialen und Geschäfte. Obwohl eine Minderheit der Teilnehmer zunehmend aggressiv wurde, konnte die Polizei Gewaltausbrüche verhindern. Auch blieben Sachbeschädigungen aus, wie die Kantonspolizei am Sonntag weiter mitteilte.

Personenkontrollen und Pyrofackel

Zwei Kantonspolizisten und ein Journalist des regionalen TV-Senders Tele M1 wurden aus der Menge heraus gezielt mit Pfefferspray bespritzt. Sie blieben unverletzt.

Bereits vor Beginn der "Tanzdemo" hatten die Sicherheitskräfte mehrere Personenkontrollen vorgenommen. Eine Person wurde wegen Besitzes einer pyrotechnischen Fackel angehalten.

Tanz-dich-frei-Demo in Aarau

Die Kundgebung endete weit nach Mitternacht im Aarauer Schachen, wo die Teilnehmer weiter verblieben. In den frühen Morgenstunden zogen sie ab.

Zum "Nächtlichen Tanzvergnügen 3.0" war seit Wochen anonym im Internet sowie über Social-Media-Plattformen aufgerufen worden. Die Organisatoren lehnten Gespräche mit dem Aarauer Stadtrat und Vertretern der Polizei wortreich ab.
In Bern hatte Ende Mai die zunächst friedlich verlaufene "Tanz-dich-frei"-Veranstaltung in Krawallen mit 50 Verletzten geendet. Über 60 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Militante Randalierer verursachten einen Sachschaden von mehreren hunderttausend Franken.


Aargauer Zeitung / 8. Juni 2013

Argovia-Fäscht: Hier tanzen und feiern am Samstag Zehntausende


Das Wetter hat den Aufbau des Argovia-Fäschts erschwert, trotzdem wird alles pünktlich fertig. Mathias Marx

Auf den Kanton Aargau wartet ein Wochenende mit vielen Partys. In Lupfig werden am Argovia-Fäscht bis zu 65000 Leute erwartet - in Aarau wird die umstrittene Tanzdemo durchgeführt. Die Polizei ist für die Feste gewappnet.

von Aline Wüst

Mit Sicherheit kriegt niemand nasse Füsse dieses Wochenende. Dafür sorgt die Sonne. Sogar der Schlamm, der zurzeit noch vor der grossen Bühne am Argovia-Fäscht liegt, soll noch bis zur Türöffnung fürs Beizlifest heute Abend weg sein.

Mit Turnschuhen ans Argovia-Fäscht? «Aber sicher», sagt Festleiter Marco Kugel. Erwartet werden in Lupfig bis zu 65 000 Leute. Am Samstag treten Stars wie Sean Paul, Patent Ochsner oder Baschi auf.

Weniger hochkarätig ist die Musik am Samstag an der unbewilligten Tanzveranstaltung in Aarau, zu der anonyme Organisatoren im Internet aufgerufen haben. Aus Boxen auf grossen Wagen wird die Musik durch die Gassen Aaraus wummern. Angemeldet haben sich bisher 700 Tanz-Demonstranten.

Leute entscheiden kurzfristig


Beginnen wird die Tanzveranstaltung in Aarau um 20.30 Uhr. Zur gleichen Zeit wird am Argovia-Fäscht Baschi die Bühne betreten. In seinem Hit «Kennsch mi scho oder liebsch mi no?!» wird der Mundartmusiker singen, dass er ein Morgenmuffel sei, ein sturer Esel, aber eben auch ein Chaot auf zwei Beinen.

Sorgen macht der Polizei aber nicht Baschi, sondern die Tanzveranstaltung in Aarau. Nach den Krawallen in Bern vor zwei Wochen fürchtet sich Aarau vor ähnlichen Szenen – vor echten Chaoten auf zwei Beinen.

Aufgrund der Ereignisse in Bern werde die Situation laufend überprüft, sagt Hans Peter Fricker, Generalsekretär im kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres. «Die Polizei begleitet die Demonstration engmaschig, überwacht und greift wenn nötig ein.» Angespannt sei man nicht. «Wir sind sehr gut vorbereitet auf beide Veranstaltungen.»

Ob sich Demonstranten zu später Stunde noch mit Argovia-Fäscht-Besuchern mischen, sei schwer einzuschätzen, sagt Fricker. «Diese Leute sind sehr dynamisch und entscheiden kurzfristig.» Festleiter Marco Kugel glaubt aber nicht, dass die Tanzveranstaltung in Aarau einen Einfluss haben könnte auf das Argovia- Fäscht in Lupfig.

Und die anonymen Nachttänzer teilen per E-Mail mit, dass die Priorität bei der Durchführung der Tanz-Demonstration und nicht bei einer Eskalation mit der Polizei liege.


Aargauer Zeitung / 7. Juni2013

Anwohner vor Tanzdemo: «Die türkische Polizei soll hier für Ordnung sorgen»

Kommt es am Aarauer «Tanz dich frei» zu Ausschreitungen wie in Bern?

In wenigen Stunden werden die Tanzwütigen die Aarauer Altstadt in Beschlag nehmen: Am Samstag steht unter dem Titel «Nächtliches Tanzvergnügen» eine unbewilligte Demo an. Anwohner blicken dieser skeptisch entgegen.

Dass die Aarauer Behörden der als «Nächtliches Tanzvergnügen» angekündigten Demo nicht ganz sorgenfrei entgegenblicken, ist bekannt. Vor allem die Bilder aus Bern, wo am 25. Mai vermummte Chaoten im Rahmen von «Tanz dich frei» die Innenstadt verwüsteten, machten ihr Angst, sagte die zuständige Stadträtin Regina Jäggi vor Wochenfrist.

Appell an die Teilnehmer

Obwohl die Demonstration als friedlich angekündigt wird, blicken auch die Anwohner dem Samstag skeptisch entgegen. So fordert Kurt Wassmer Unterstützung für die Aargauer Kantonspolizei: «Ich wäre dafür, dass man mit der türkischen Regierung Verhandlungen aufnimmt und diese Polizisten hierher kommen und gegen die Demonstranten vorgehen, wie sie das in der Türkei gemacht haben.»

Entspannter sieht es Yves Gugelmann, der selber auch an der Tanzdemo teilnehmen will: «Man kann nur an die Teilnehmer appellieren, dass sie friedlich sind und einfach feiern.»

Organisatoren warnen vor Polizei

Die Organisatoren der Tanzdemo warnen auf Facebook derweil vor Repression. «Falls du Probleme mit der Polizei, privaten Sicherheitsdiensten oder Nazis bekommen solltest, oder Zeuge eines solchen Übergriffs wirst, wende dich bitte an die Antirepressionsgruppe», heisst es.

Bereits haben sich auf dem sozialen Netzwerk über 700 Personen für die Tanzdemo angemeldet.


Bernerzeitung / 3. Juni 2013

Neuer Verdacht zur Krawallnacht


Die Randalierer vom Samstag hinterliessen an einem Gebäude in der Berner Effingerstrasse einen Hinweis auf die nächste Veranstaltung. Bild: Thomas Hagspihl

Sind die Organisatoren und die Militanten von «Tanz dich frei» identisch? Indizien, welche die bisherige Lesart in Frage stellen, sind aufgetaucht.

Von Beni Gafner

Nach der Berner Krawallnacht demnächst Aarau? Die Frage stellt sich für kommenden Samstag. Denn zwei Wochen nach den massiven Ausschreitungen und Plünderungen in der Bundesstadt ist für den 8. Juni im beschau­lichen Aarau eine ähnliche Tanzdemo angekündigt. Die Veranstalter des «Nächtlichen Tanzvergnügens» sind unbekannt, wie sie es auch in Bern noch sind. Aufgerufen wird ebenfalls auf ­Facebook.

Wie die Berner ­haben auch die Aargauer Behörden den Anlass ­offiziell nicht bewilligt. Aber sie dulden ihn. Verhindern könne man die Ver­anstaltung nicht, weil dazu ein riesiges Polizeiaufgebot nötig wäre, erläuterte die «Aargauer Zeitung». Man hoffe für Aarau, dass die Tanzdemo am Samstag ebenso friedlich verlaufen werde wie im September 2012, als 800 kamen – ohne Krawall.

«Wir wollen mit euch eine Party feiern, ohne vorher jene um Erlaubnis zu fragen, die mitschuldig am Verschwinden kultureller und politischer Freiräume sind», hiess es damals dazu auf Facebook. Den Chef der Stadtpolizei, Daniel Ringier, veranlasste dies, die Illegalität der Demo aufzuheben. Umgehend pub­lizierten die Anonymen damals Ringiers E-Mail, das sie im Posteingang ihrer ­Facebook-Seite vorfanden: «Unabhängig davon, ob Sie um Erlaubnis fragen und ein formelles Gesuch stellen wollen oder nicht, bewilligt die Stadt den ­Anlass.» Man könne auch Anlässe ­behördlich bewilligen, ohne dass dies formell verlangt werde, erklärte Ringier der Öffentlichkeit.

Die Vorzeichen zur aktuellen Tanzdemo sind nun anders, nach der Eskalation in Bern. Stadt- und Kantonspolizei bereiten sich in Aarau darauf vor – begleitet von der Aussage der zuständigen Aarauer Stadträtin ­Regina Jäggi. Diese meinte öffentlich, die Bilder aus Bern würden ihr schon ­etwas Angst machen.

Hinweis auf die Organisatoren

Ein Problem teilen die Aarauer ­Behörden mit den Bernern: Sie können Facebook nicht zwingen, im Vorfeld ­einer befürchteten «Gefährdung der ­öffentlichen Sicherheit» die IP-Adresse der anonymen Facebook-Manifestanten herauszugeben. Mit diesem Versuch ist Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) gescheitert. Ein eingeschriebener Brief blieb unbeantwortet. Er wollte damit polizeiliche Abklärungen erleichtern. Im Raum stand die Frage, ob der militante Block aus dem Umfeld der Berner Reithalle den Aufruf machte.

Nun, da in Bern der Schaden angerichtet ist, bleibt dem Berner Sicherheitsdirektor nichts anderes, als seinem Versprechen Taten folgen zu lassen. Nämlich, «alles Erdenkliche» tun zu wollen, um die Verantwortlichen ausfindig zu machen. «Es geht mir dabei um die Zukunft», sagte Nause am Sonntag im Gespräch mit der BaZ. Es gehe darum, «wie wir solche Ausbrüche künftig verhindern können». In einem Jahr könnte Bern die nächste Auflage von «Tanz dich frei» erleben. Ein Punkt ist dabei die rechtzeitige Beschaffung von Informationen über die Organisatoren, die ihren Aufruf lancierten.

Nause sagte, man verfüge heute über Indizien, dass diese dem militanten Kern der Krawallnacht nahestünden oder Teil davon sein könnten. Würde sich dies bewahrheiten, wäre die bisherige Annahme falsch, wonach «einige wenige Chaoten» den friedlichen Anlass von 10'000 Tanzenden spontan für ihre Exzesse missbrauchten. Dann nämlich wären es die Militanten selbst, die es geschafft haben, Tausende als Schutzschild für ihre Ausbrüche zu mobilisieren.

Tatsächlich gibt es für diese Annahme auch öffentlich nachvollzieh­bare Hinweise. Seit einigen Jahren führten Linksautonome und Globalisierungsgegner auch in Bern unbewilligte Demonstrationen durch – mit nur ­wenig Gefolgschaft. Was damals wenig ansprechend für eine Mehrheit «Reclaim the streets» hiess, also «Holt euch die Strasse zurück», heisst heute «Tanz dich frei». 13'000 kündigten darauf auf ­Facebook ihre Sympathie in Form einer beabsichtigten Teilnahme an. Darunter finden sich auch Berner Politiker von SP bis bürgerlich. Als Nicht-Bernerin dabei war auch Claudine Esseiva, General­sekretärin der FDP.


Argovia / Im Mai 2013

Aanzdemo Aarau

Der «JUSO Aargau»-Präsident in einem Interview bei Radio Argovia.

Podcast >>>


Tagesanzeiger / 31. Mai 2013

«Wir sehen die Stadt nicht als Dialogpartner»


Das war letztes Jahr: «Nächtliches Tanzvergnügen» am 22. September 2012 in Aarau. Bild: Keystone

Wie in Bern, so auch in Aarau? Am 8. Juni findet dort zum dritten Mal das «Nächtliche Tanzvergnügen» statt. Mitveranstalter K.* erklärt, dass die Party durchgeführt werden soll – auch wenn die Polizei eingreift.

Von Barbara Loop

Was tun Sie dafür, dass sich die Szenen von Bern in Aarau nicht wiederholen?
Wir suchen keine Konfrontation mit der Polizei. Wir haben eine Tanzdemo angekündigt und wollen auch eine durchführen. Wenn sich die Polizei zurückhält, sehen wir keinen Grund, warum es zu Ausschreitungen kommen soll. Wenn die Polizei aber einschreitet, werden wir versuchen, unsere Tanzdemonstration durchzusetzen.

Was heisst das?
Das will ich nicht genauer ausführen, weil es sehr situationsbezogen ist. Aber ich möchte betonen, dass wir von unserer Seite die Konfrontation nicht suchen. Wenn sich die Polizei uns nicht in die Quere stellt, dann sollte es keine Probleme geben.

Die Veranstaltung nennt sich «Nächtliches Tanzvergnügen». Das klingt harmlos und wenig politisch. Wofür gehen Sie auf die Strasse?
Wir wollen zeigen, wie wichtig autonome Freiräume sind und dass es immer weniger von ihnen werden. Das zeigt sich am Beispiel der Binz, die momentan geräumt wird. Wir kämpfen schon lange für ein autonomes Kulturzentrum in Aarau. Dieses Anliegen wird heruntergespielt, die Beteiligten werden kriminalisiert. Ausserdem wird der öffentliche Raum zunehmend privatisiert. Das «Nächtliche Tanzvergnügen» ist eine Möglichkeit, diesen Raum in Anspruch zu nehmen.

Stellen Sie konkrete Forderungen?
Ein autonomes Zentrum kann nur funktionieren, wenn es ohne städtische, wirtschaftliche oder religiöse Einflüsse umgesetzt werden kann. Die Stadt Aarau ist kein Gesprächspartner für uns, daher stellen wir auch keine Forderungen.
Die Stadt Aarau hat Sie zum Gespräch eingeladen. Niemand ist gekommen.
Lukas Pfister, der FDP-Stadtrat, hat vor einem Jahr gesagt, dass die Stadt kein Gesprächspartner für ein autonomes Zentrum sei. Wir haben also einen Konsens mit der Stadt, dass wir beide nichts miteinander zu tun haben wollen. Jetzt macht sich die Stadt halt Sorgen, aber mit Blick auf die Vergangenheit ist diese Angst unbegründet.

Wie der «Tanz dich frei»-Umzug in Bern ist auch das «Nächtliche Tanzvergnügen» nicht bewilligt. Warum haben Sie keine Bewilligung eingeholt?
Wir sehen die Stadt Aarau nicht als Dialogpartner, unter anderem weil sie immer wieder versucht, die Personen, die sich engagieren, zu kriminalisieren. Kurz bevor die Einladung der Stadt kam, hat der Kanton bekannt gegeben, dass man die Kosten vom «Nächtlichen Tanzvergnügen» des letzten Jahres auf die Veranstalter abwälzen will. 120'000 Franken! Da wären wir ja blöd gewesen, wenn wir da hingegangen wären. Unsere Erfahrungen zeigen ausserdem, dass sich Gespräche mit der Stadt und dem Kanton nicht lohnen.

Sie könnten gemeinsam für die Sicherheit aller Beteiligten sorgen.
Dafür gibt es keinen Grund. Wir haben schon viele unbewilligte Anlässe durchgeführt, ohne dass es zu Problemen gekommen wäre. Das Konzept hat sich für uns bewährt.

Es gab nie Ausschreitungen in den letzten Jahren?
Im letzten Jahr gab es eine kleinere Auseinandersetzung, einige FC-Aarau-Fans oder Hooligans haben Demonstranten angegriffen. Ansonsten gab es aber weder Sachbeschädigungen noch Ausschreitungen.

Wer sind die Veranstalter des «Nächtlichen Tanzvergnügens»?
Die Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) ist ein Zusammenschluss von mehreren Gruppierungen und Personen, die sich schon in der Vergangenheit für ein Zentrum eingesetzt haben, aber nicht so gut vernetzt waren. Nachdem die Ereignisse im letzten Sommer neue Dynamik in die Diskussionen gebracht haben, kam es zum Zusammenschluss.

Habt ihr den Berner «Tanz dich frei»-Umzug als Zugpferd genutzt?
Klar haben wir mehr Aufmerksamkeit erhalten, nachdem im letzten Jahr in Bern 20'000 Leute am «Tanz dich frei»-Umzug teilgenommen haben. Aber wir versuchen unser Ding zu machen. Ich bezweifle, ob die diesjährigen Ausschreitungen in Bern ein Vorteil für uns sind.

Waren Sie auch in Bern auf der Strasse?
Zu den Ereignissen von Bern will ich prinzipiell nichts sagen.

Sind die Veranstalter in Bern auch am geplanten Umzug in Aarau beteiligt?
Ich weiss nicht, wer kommen wird. Ob Berner, Zürcher oder Tessiner. Hoffentlich kommen die Leute von überall her.

Sympathisieren Sie mit den Veranstaltern aus Bern?
Wir vertreten die ähnlichen Anliegen wie die Berner und erklären uns solidarisch mit den Leuten von «Tanz dich frei».

Auch mit den Chaoten?
Dazu will ich nichts sagen.

Es ist das dritte «Nächtliche Tanzvergnügen» in Aarau. Im letzten Jahr kamen 2000 Personen. Wie viele Teilnehmer erwartet Sie am 8. Juni?
Keine Ahnung, das spielt auch keine Rolle.

Nicht nur der Name klingt harmlos, auch das Plakat sieht aus wie jedes andere Plakat, mit dem die Clubs um Gäste werben. Ist das Absicht?
Anders als bei einer Hausbesetzerparty kommen auch junge, normale Partygängerinnen. Die sind dann ganz erstaunt, dass sie für das Bier so viel bezahlen können, wie sie wollen. Trotzdem wissen alle, worum es uns geht. Wir nutzen die Strasse ohne Bewilligung, also ist das auch ein politischer Anlass.

K.* ist Mitglied der «Kampagne für ein Autonomes Zentrum» (KAZ), die das «Nächtliche Tanzvergnügen» organisiert. Die KAZ-Mitglieder bleiben gegenüber der Öffentlichkeit anonym.


Aargauer Zeitung / 30. Mai 2013

Aktivisten: Sie haben eine Meinung, aber sie stehen nicht dazu


Beispiel einer genutzten (rechtlichen) Nische im geordneten Stadtbild. Bepflanztes «Auto» auf einem privaten Parkplatz im Ochsengässli. Quelle: Mathias Marx

Die Aktivisten äussern sich anonym zur geplanten Tanz-Demo. Die Erklärung der Aktivisten der Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) liest sich stellenweise vernünftig und gar inspirierend – im nächsten Satz kippt sie ins Absurde und Naive.

Von Sabine Kuster

Sie sind jung, kommen aus der Mittelschicht und wollen mehr Freiheit. Wie in den 80ern. Der Unterschied: Heute können die Jugendlichen, welche die Schweiz als überreglementiert empfinden, via Facebook die Massen mobilisieren. Anonym.

Die Gesprächsverweigerung rechtfertigen sie damit, die Behörden seien ohnehin nur am Status quo interessiert und legten ihnen Steine in den Weg. Dies schrieben die Aktivisten der Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) am Mittwoch in einem langen Brief an die Medien.

Die Aktivisten von KAZ besetzten in den letzten Monaten vorübergehend leerstehende Häuser und veranstalteten inoffizielle Partys und Konzerte. Es gehe ihnen um einen «Kulturbetrieb abseits der Normen» und einen «Freiraum abseits der kapitalistischen Logik», wo alle willkommen seien.

Die Erklärung von KAZ liest sich stellenweise vernünftig und gar inspirierend - im nächsten Satz kippt sie ins Absurde und Naive.

Dass es vielen Teilnehmern am «Nächtlichen Tanzvergnügen» am 8. Juni nicht um Ideologien gehen wird, sondern bloss um Party, dessen seien sie sich bewusst. Auch, dass dabei «keine grundlegenden Veränderungen herbeigetanzt werden können».

«Emanzipatorischer Akt»

Doch egal aus welchen Gründen auf die Strasse gegangen werde, das ungefragte Nehmen des öffentlichen Raums bleibe ein «emanzipatorischer Akt». Der Abend biete Gelegenheit «das überreglementierte Leben frei von eingefahrenen Konventionen zu erleben».

Man erhoffe «positive Energie und Schaffenslust» zu erzeugen. Denn: «Wir sollten für unsere Projekte, Träume und Ideen kämpfen.»

Dazwischen ist von staatlicher Repression die Rede, von einer Polizei die prügle und töte. Der Kapitalismus wird angeklagt, Manager, Spekulanten und die Asylpolitik. Sie sähen sich als «Teil des globalen Widerstandes gegen den Kapitalismus und jegliche Autorität», schreibt KAZ.

Ihre Meinung ist also klar - aber die Aktivisten stehen nicht dazu, sie verstecken sich. Sie finden auch die Gesprächsverweigerung und dass sie keine Verantwortung für den Anlass übernehmen, revolutionär.


Baldinger: «Das Potenzial verpufft»

Einer, der seit Jahren Freiräume besetzt und kreativ nutzt, ist Tizian Baldinger. Er ist Künstler und Initiant des Ateliers Bleifrei an der Buchserstrasse, welches in einem Monat geräumt werden muss, weil im Torfeld Süd die Bagger auffahren. Die az wollte wissen, was er von der Tanz-Demo hält. «Ich kann die Leute verstehen», sagt er, «aber ich weiss nicht, ob ihr Weg der richtige ist. Es ist ihr Weg, ich gehe meinen.» Er wolle mit Verhandlungen und unkonventioneller Taktik etwas erreichen. Und als «moderner Punk mit Anzug und Bart» zeigen, dass beide Seiten profitieren können: also jene die Freiräume suchen und jene, die sie besitzen. Auch finanziell. Baldinger findet das Vorgehen der Aktivisten okay, solange mit gesundem Menschenverstand gehandelt werde. «Es ist eine neue Generation, die auf alte Werkzeuge zurück greift.» Er findet, die Stadt könnte den Aktivismus nützen. «Aber es verpufft. Das Potenzial wird nicht gefördert und nicht geschätzt. Mal ein Kompliment seitens der Stadt würde man schätzen», so Baldinger und auch er findet: Stattdessen würden einem Steine in den Weg gelernt. Er wünsche sich eine Behörde, die kulanter sei, wenn mal etwas schief gehe. Es sei keine Sympathie zu spüren, es würden Bewilligungen verweigert und am falschen Ort gespart. (kus)


Aargauer Zeitung / 29. Mai 2013

Tanzdemo in Aarau: Die Stapi-Anwärter stören sich daran, dass die Organisatoren anonym bleiben


Lukas Pfisterer und Lotti Fehlmann Quelle: az

Die anonymen Massenveranstaltungen bereiten Politikern Kopfweh. Was sagen die beiden Kandidaten fürs Stadtammann-Amt zur kommenden Veranstaltung in Aarau? Lukas Pfisterer und Lotti Fehlmann sagen, was sie nicht gut finden.

Von Sabine Kuster

Demo unbewilligt, Organisator unbekannt. Es ist das neue Facebook-Phänomen in europäischen Städten.

Die Behörden stehen ihm eher ratlos gegenüber: Man lässt die Menschenaufläufe von Polizisten flankieren, komplett unterdrücken könnte man sie bei 1000 Teilnehmern und mehr nur schwer.

Ein neues Phänomen braucht eine neue Strategie. Eine gute Gelegenheit, für eine politische Stellungnahme der beiden Anwärter aufs Aarauer Stadtammannamt.

Weder der FDP-Mann Lukas Pfisterer noch die SP-Frau Lotty Fehlmann Stark sind Sympathisanten dieser Bewegung.

«Ich tanze gern», sagt Lukas Pfisterer, «aber hier geht es nicht ums Tanzen. Es geht um die ideologische Einnahme des öffentlichen Raums.»

Pfisterer stört, dass die Veranstalter anonym bleiben, sich vor der Verantwortung drücken und den Kontakt mit den Behörden verweigern.

«So geht das nicht», sagt er, «für Veranstaltungen braucht es eine Bewilligung und Rechtsbrecher sollen keine Privilegien erhalten.» Die Stadt sei kulant beim Erteilen solcher Bewilligungen, sagt Pfisterer.

Über die Strategie der Stadt beziehungsweise der Polizei hinsichtlich des «Nächtlichen Tanzvergnügens» am 8. Juni darf Pfisterer keine Auskunft geben. Er sagt aber: «Die Aarauer müssen sicher sein können, dass man sie beschützt.»

«So oder so ist es illegal»

Lotty Fehlmann Stark ihrerseits hat ebenfalls kein Verständnis für das Verhalten der Initianten.

«Die Aktion bleibt, egal ob notgedrungen bewilligt, eine illegale Aktion. Denn es liegt kein Gesuch vor», sagt Lotty Fehlmann Stark. «Ich habe Mühe mit illegalen Kundgebungen.» Und es sei nicht richtig, sich in der Anonymität von Facebook zu verstecken.

Sie hofft, dass diese Veranstaltung wie die jene im letzten September gewaltlos bleibt. Die zeitliche Nähe zur Veranstaltung «Tanz dich frei» in Bern sei unglücklich, aber: «Es muss nicht eskalieren.»

Sie befürwortet die Deeskalations-Strategie der Stadt. Die Unterdrückung der Veranstaltung im Keim sei momentan noch nicht angebracht, aber die Polizei beobachte die Entwicklung.

«Man muss bis im letzten Moment versuchen, herauszufinden, wer dahintersteckt», sagt Fehlmann Stark. Dass dies der Stadt Bern nicht gelang, stimmt sie allerdings bezüglich Aarau pessimistisch.


Tagesanzeiger / 29. Mai 2013

Bern leckt sich Wunden, Aarau in Sorge


Am Samstag fand in Bern die dritte Ausgabe von «Tanz dich frei» statt. Bild: Claudia Salzmann

Bern arbeitet die Krawalle am «Tanz dich frei» auf, Aarau blickt besorgt auf eine ähnliche Veranstaltung am 8.Juni. Der Städteverband veröffentlicht bald eine Studie zu urbaner Sicherheit. Sie könnte helfen, eine gemeinsame Haltung zu entwickeln.

Von Wolf Röcken

Der Ruf ertönte nach den Cupfinal-Krawallen. Und er wurde nach «Tanz dich frei» wiederholt: Die Problematik von Grossveranstaltungen mit Gewaltpotenzial soll national behandelt werden. Stadtpräsident Alexander Tschäppät kündigte an, das Thema im Städteverband zur Sprache zu bringen. Dort ist das Thema seit längerem aktuell. So war das friedlich verlaufene Berner «Tanz dich frei» 2012 einer der Auslöser für eine Studie zum städtischen Nachtleben. Sie wurde diesen Februar vorgestellt.

Bereits im März 2012 lancierte der Städteverband zudem ein breit angelegtes Projekt zur Entwicklung der urbanen Sicherheit bis ins Jahr 2025. Beteiligt sind auch eine Stadtentwicklungsfirma sowie 33 Pilotstädte, wie Verbandsdirektorin Renate Amstutz sagt. Das Projekt ist in der Schlussphase, die Resultate werden Mitte Juni präsentiert.

Befürchtungen in Aarau

Die Studie wird Hinweise liefern, wie die Schweizer Städte die geforderte «gemeinsame Haltung» entwickeln können. Dass eine solche Zusammenarbeit Sinn macht, zeigt ein Blick nach Aarau. Die dortige Stadtregierung blickt nach den Vorfällen in Bern besorgt auf den 8.Juni. Dann wird in Aarau zum «Nächtlichen Tanzvergnügen» aufgerufen, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Die Parallelen zu Bern sind gross: Wie bei «Tanz dich frei» ist der Anlass nicht bewilligt, und es gibt keine Ansprechperson. Aarau lud «mögliche Organisatoren» per E-Mail zum Gespräch ein. Es erschien niemand.

Das Aarauer Tanzvergnügen soll, wie in Bern, «geduldet» werden. Der Aargauer Regierungsrat kam vor einiger Zeit zum Schluss, dass es am sinnvollsten sei, die Veranstaltung «engmaschig zu überwachen und zu begleiten», sie aber nicht zu verhindern. Nach den Berner Krawallen werden die Dispositive überprüft.

2012 nahmen gemäss diverser Quellen zwischen 800 und 2000 Personen am friedlichen Aarauer Tanzanlass für «mehr Freiräume und ein autonomes Jugendzentrum» teil. 125 Polizisten waren im Einsatz, die Kosten betrugen 120'000 Franken. Obwohl kein Gesuch vorlag, sprach die Stadt damals eine Bewilligung aus. Die Aargauer Zeitung schrieb von «Zwangslegalisierung».

«Keine Aussage zu Polizei und Staatsschutz» steht auf dem Flyer zur Aarauer Ausgabe 2013. Hunderte haben bereits ihr Kommen angekündigt. Auf Facebook – wie in Bern.


Tilllate / 29. Mai 2013

So wappnet sich Aarau auf potenziellen Vandalismus

Nach «Tanz dich frei 3» in Bern ist nun auch in Aarau eine Demonstration angekündigt.

Die jüngsten Ereignisse zeugen von einer besorgniserregenden Situation: Die Jugend ist aufgebracht und demonstriert auf den Strassen für mehr Kultur. In der Nacht auf letzten Sonntag brannten anlässlich der «Tanz dich frei 3»-Demo die Strassen in Bern. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Party-Demonstrationen. Am 16. April 2011 fand die ursprünglich antikapitalistische Bewegung zum ersten Mal in der Hauptstadt statt.

Kantonspolizei hat noch keine Antworten

Nun reagiert die autonome Jugendbewegung in Aarau. Am 8. Juni ist eine Demonstration für ein autonomes Zentrum im Kantipark Aarau angekündigt. Die Stadt will nun alles daran setzen, dass es nicht zu Ausschreitungen wie am letzten Wochenende in Bern kommt. Bloss: Kann die Polizei eine potenziell wütende Menge in Schach halten?  

«Aufgrund der Situation in Bern sind wir damit beschäftigt, unsere Strategie zu überprüfen», erklärt Hanspeter Fricker, Generalsekretär des Departements Volkswirtschaft und Inneres, gegenüber tilllate.com. Man beobachte die Aufrufplattformen wie zum Beispiel Facebook, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Die Demo werde jedoch nicht von Anfang an unterbunden: «Der Regierungsrat hat entschieden, nicht den radikalen Weg einzuschlagen. Wir werden mit polizeilicher Begleitung und Überwachung arbeiten.» Über konkrete Massnahmen und über die Anzahl an Polizeikräften, die im Einsatz stehen sollen, schweigt man sich derzeit aus. Bereits letztes Jahr fand eine solche Tanz-Demonstration in Aarau statt, die jedoch friedlich verlief. Pressesprecher Roland Pfister von der Kantonspolizei Aargau erinnert sich und erklärt, dass der Polizeieinsatz mit 125 Mann über 120 000 Franken gekostet haben soll. Etwas ausser Atem kommentiert er zum Schluss: «Wer soll das hier wieder bezahlen?»

Das sind die Demos der letzten Jahren

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Demonstrationen, bei denen die Veranstalter anonym bleiben, eskalieren. So randalierten am 10. September 2011 am Zürcher Bellevue 20 von etwa 1500 Demonstranten auf einem Tramwartehäuschen. Als die Polizei diese bat, herunterzusteigen, da Einsturzgefahr herrschte, artete die Situation aus. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummischrot. Bei der illegalen Party handelte es sich um einen Racheakt von Partyveranstaltern. Per SMS wurde gebeten, sich zu versammeln, da die Stadtpolizei mehrere andere Partys gestürmt habe.

Auch bei der Binz-Bewegung in Zürich am 3. März 2013 sind Sachschäden von etwa einer Million Franken entstanden. Die Demo führte durch die Stadtkreise 3 und 4, die Menschen forderten den Erhalt des Binz-Areals. Das Fabrikgebäude wird seit 2006 besetzt. Einzig die bewilligte 1. Mai-Demonstration am Tag der Arbeit verlief dieses Jahr ungewohnt ruhig. Trotz laufender Lohniniativen, wie etwa die 1:12-Initiative der Juso, blieb die Menge friedlich. In vorherigen Jahren waren brennende Container, beschädigte Autos und zerstörte Scheiben am 1. Mai in Zürich an der Norm.

Argovia / 28. Mai 2013

Anonyme Tanzdemo-Organisatoren äussern sich

Zum ersten Mal äussern sich die anonymen Organisatoren der Tanzdemo in Aarau. Radio Argovia hat sie gefragt, wer ihrer Meinung nach für die Polizeikosten aufkommen soll und wieso sie die Annäherungsversuche der Stadt Aarau bisher ignoriert haben.

Podcast >>>

Blick am Abend / 28. Mai 2013

Chlepfts zAarau ou so wie zBärn?

GIGLE – ZAarau heisidHosevou:I zwöine Wuche wird e Tanzverastautig organisiert. Z Bärn hets klepft, das wei d Behörde i ihrere Stadt verhindere.

Vom Roman Neumann us Eriswiu BE

Biuder si nid schön: Z Bärn brätsche d Chaote uf d Polizischte, Schoufänschter u Vitrine i. Truurigi Bilanz: Mehreri Hunderttuusig Stutz Schade. 70 Lüt unger de 10 000 Tanzende hei glängt, um «Tanz di frei» mit Gwaut z zerstöre.

Nume zwöi Wuche spöter, am 8. Juni, gits scho wieder e Tanz-Demo. Dasmou z Aarau. Aber ou dört si d Organisatore anonym. Sie nenne sech KAZ (Kampagne füres autonoms Zäntrum) u rüefe per Flyer und im Internet zum «Nächtliche Tanzvergnüege» uf. Ihres Alige: «Etablierti Aarauer Kulturagebot wies KBA u s Atelier Bleifrei verschwinde, di langfrischtig Zuekunft vom KiFF isch ungwüss u ir Autstadt söu nume no gflüschteret wärde.» O die Tanzdemo isch wie z Bärn unbewilligt, wie d «Aargauer Zitig» hüt schribt.

Uf dr Medieplattform «Indymedia» dokumentiere d Organisatore d Bemühige vo dr Stadt Aarau, um mit ihne is Gspräch z cho. D Stadtrötin Regina Jäggi seit zur Zitig: «D Biuder us Bärn mache mer scho chli Schiss.» Sie hoffi eifach ufnes fridlechs Tanzvergnüege.

D Regina Jäggi het zäme mitem Chef vo dr Stadtpolizei Aarau o probiert, mit de Organisatore i Kontakt z trätte. Sie het wöue wüsse, was sie für Bedürfnis hei, was sie vo dr Stadt erwarte und het mit öpperem wöue schnure, wo verantwortlech für d Organisation isch. Ke Chance: Niemer isch zum Termin erschine. Offenbar hei die anonyme Verastauter Schiss gha, d Chöschte vo letscht Johr müesse bläche, wie si uf «Indymedia» schribe.

Letscht Johr – im Septämber – het nämlech scho mou e Tanzdemo z Aarau stattgfunge. 2000 Lüt hei sech d Nacht um dOhre gschlage u zäme gfiiret. Die Demo isch friedlech verloffe, aber zur Sicherheit vo 125 Polizischte begleitet worde. Koschtet heig das 120 000 Stutz.

S grosse Polizeiufgebot isch fürs KAZ unverständlech: «We mer üs d Biuder vom nächtleche Tanzvergnüege usem Johr 2012 aluege, froge mer üs, wie gross s Gfahrepotenzial isch gsi.» Sie rüefe aui Polizischte uf, «am Samschdi, 8. Juni 2013 blau z mache u deheim z blibe». Nach de Biuder us Bärn wird sech das d Polizei im Aargau aber zwöimou überlegge.

20 Minuten / 28. Mai 2013

Unbewilligte Tanzdemo in Aarau angekündigt


Am 25. Mai richteten Chaoten während der Tanzdemonstration «Tanz dich frei» riesige Schäden an. Am 8. Juni findet in Aarau bereits die nächste unbewilligte Demonstration statt. (Bild: Keystone/Marcel Bieri)

Nur zwei Wochen nach «Tanz dich frei» in Bern wird in Aarau die nächste unbewilligte Tanz-Demonstration stattfinden. Die Angst vor ähnlichen Szenen wächst.

Mehrere Hunderttausend Franken Schaden und 20 verletzte Kantonspolizisten: So lautete die traurige Bilanz nach der Demonstration «Tanz dich frei», die am 25. Mai in Bern stattfand. Nun ist bereits eine weitere unbewilligte Tanzdemonstration angekündigt: Am 8. Juni wird in Aarau für mehr Freiräume und ein autonomes Zentrum demonstriert.

Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, wird bei den verantwortlichen Personen derzeit geprüft, ob nach den Ereignissen in Bern in Aarau zusätzliche Massnahmen ergriffen werden sollen. Stadträtin Regina Jäggi, verantwortlich für die öffentliche Sicherheit, bestätigt, dass ihr die Bilder aus Bern etwas Angst machen.

Mögliche Organisatoren nicht gesprächsbereit

Mögliche Organisatoren wurden per Mail und Brief angeschrieben und zu einer Sitzung mit Stadt und Stadtpolizei eingeladen. «Doch da kam niemand und es hat sich niemand bei uns entschuldigt», so die Stadträtin. Trotzdem bleibe man laut Jäggi gesprächsbereit.

Für die Veranstaltung geworben wird von der Kampagne für ein autonomes Zentrum (KAZ) über Facebook, mit Flyern und auf dem Internetforum Indymedia. Dort bestätigt die KAZ, dass sie im April eine E-Mail vom Polizeichef der Stadt Aarau, Daniel Ringier, erhalten habe und auch einige Mitglieder per Brief kontaktiert wurden. In der E-Mail wurde man gebeten, «sich dem konstruktiven Dialog im Interesse der Sache nicht zu verschliessen und mit Daniel Ringier Kontakt aufzunehmen».

Polizisten sollen zu Hause bleiben

E inen Monat später folgte die nächste E-Mail, in der man dann zum Gespräch eingeladen wurde. Die KAZ schreibt jedoch, dass es etwas unklug sei, die Kosten von über 100’000 Franken aus der letztjährigen Tanzdemonstration den «Verantwortlichen» aufzwingen zu wollen und gleichzeitig zu versuchen, diese ausfindig zu machen und auf ein Gespräch einzuladen. Selbstverständlich sei man nicht zu diesem erschienen und habe das auch künftig nicht vor.

Die letzte Tanzdemonstration im September 2012 verlief ohne Zwischenfälle. 2000 Menschen tanzten friedlich durch Aarau. Die Stadtpolizei und die Kantonspolizei waren mit 125 Mann vor Ort.

In diesem Jahr werden sie von der KAZ aufgerufen, «am 8. Juni blau zu machen und zu Hause zu bleiben». Ausserdem fordert sie alle, die Post von Herrn Ringier oder anderen Polizisten erhalten, dazu auf, diese ins Altpapier zu werfen und kein Wort zur Polizei zu sagen.


Blick / 28. Mai 2013

Gibts in Aarau den nächsten Krawall?


Diese Vermummten kamen nicht zum Tanzen, sondern um Krawall zu machen. Nun fürchtet die Stadt Aarau im ihre Sicherheit. (Peter Gerber)

AARAU - Nach der misslungenen «Tanz dich frei»-Veranstaltung in Bern wird bereits die nächste unbewilligte Tanzdemo organisiert. In Aarau steigt die Sorge vor ähnlichen Krawallen.

Dem Aufruf des anonymen Organisationskomitees von «Tanz dich frei» folgten in Bern rund 10'000 Menschen – darunter etwa 70 gewaltbereite Chaoten, die das friedliche Fest mit Gewalt zerstörten.

In Aarau sind die Organisatoren ebenfalls unbekannt. Das KAZ (Kampagne für ein autonomes Zentrum) ruft aber per Flyer und Internet zum «Nächtlichen Tanzvergnügen» am 8. Juni in der Stadt Aarau auf. Die Tanzdemo ist wie in Bern unbewilligt, berichtet die «Aargauer Zeitung» heute.

Auf der Medienplattform «Indymedia» dokumentieren die Organisatoren die Bemühungen der Stadt Aarau, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Stadträtin Regina Jäggi sagt zur «Aargauer Zeitung»: «Die Bilder aus Bern machen mir schon etwas Angst.» Sie hoffe auf ein friedliches Tanzvergnügen.

Sie unterbreitete zusammen mit der Stadtpolizei Aarau den anonymen Organisatoren ein Gesprächsangebot auf dem Polizeiposten. Auf dieses seien diese jedoch nicht eingegangen. Offenbar fürchteten diese, die Kosten der letztjährigen friedlichen Tanzdemo – 120'000 Franken – aufgebrummt zu erhalten.

Die letzte Tanzdemo im September 2012 verlief friedlich. 2000 Menschen fanden sich in Aarau ein, begleitet von 125 Polizisten der Stadtpolizei und Kantonspolizei Aargau. Das KAZ schreibt dazu: «Wenn wir uns die Bilder vom nächtlichen Tanzvergnügen aus dem Jahr 2012 ansehen, fragen wir uns jedoch, wie gross das Gefahrenpotential war.»

Sie rufen alle Polizistinnen auf, «am Samstag, 8. Juni 2013 blau zu machen und zu Hause zu bleiben». Nach den Bildern aus Bern dürfte die Polizei im Aargau diesem Aufruf nicht Folge leisten. (num)


SRF / 27. Mai 2013

Tanzdemo: Aarau hat Angst vor Krawallen


Werbeflyer für die Demo in Aarau vom 8. Juni. aargrau.ch

Die Krawallnacht von Bern rund um eine Tanzdemo sorgt in Aarau für Aufregung. Am 8. Juni soll nämlich in der Kantonshaupstadt eine ähnliche Veranstaltung stattfinden. Die Verantwortlichen gehen bei den Sicherheitsmassnahmen über die Bücher.

Schon länger ist bekannt, dass in Aarau am 8. Juni eine Tanzdemo, ein «nächtliches Tanzvergnügen 3.0» stattfindet. Die Aargauer Regierung wurde vom Grossen Rat auf diesen Anlass angesprochen, weil schon am 22. September 2012 ein solches Tanzvergnügen in Aarau stattgefunden hatte.

«Aufgrund der Erfahrungen aus der Veranstaltung vom letzten Jahr ist trotz der zu erwartenden grossen Zahl von Teilnehmenden nicht mit gravierenden Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu rechnen», schrieb die Regierung Anfang Mai in einer Stellungnahme.

Heute würde sich die Regierung wohl vorsichtiger äussern. Die Bilder der Krawallnacht von Bern sind auch ihr in die Knochen gefahren. Offiziell will momentan aber niemand etwas zum Sicherheitsdispositiv sagen. Zuständig für die Sicherheit ist der Kanton. Für den Generalsekretär des Innendepartements gilt offiziell immer noch die Sprachregelung der Regierung von Anfang Mai.

Aber klar ist: Die Sicherheitsmassnahmen werden überprüft. An der Tanzdemo im September nahmen 2000 Personen teil, alles blieb friedlich. Die Polizei war anwesend, musste aber nicht eingreifen. Trotzdem kosteten die Sicherheitsmassnahmen über 100'000 Franken.

Organisatoren sind anonym

Diese Kosten sollen die Organisatoren der Tanzdemo tragen, so will es die Regierung. Nur: Die Organisatoren sind gar nicht bekannt, alles läuft übers Internet. In Erscheinung tritt nur die «Kampage für ein autonomes Zentrum» (KAZ).

Die Aarauer Stadträtin Regina Jäggi, Ressortleiterin Sicherheit, versuchte über das Internet, die Organisatoren zu einem Gespräch einzuladen. Eine Reaktion gab es nicht. Verwunderlich ist das nicht, denn wer an diesem Gespräch teilgenommen hätte, müsste befürchten, die Sicherheitsmassnahmen bezahlen zu müssen.

Die Veranstaltung vom 8. Juni wird wohl ein grosses Publikm anziehen. Auf Facebook gibt es schon über 500 Personen, die ihre Teilnahme zugesagt haben. KAZ wehrt sich im Werbeflyer für das «Nächtliche Tanzvergnügen 3.0» gegen Rassismus und Sexismus. Dass man sich von Gewalt distanziert, davon liest man aber nichts.

Aarau macht sich Sorgen (Stefan Ulrich, 27.5.2013) – Audiobeitrag >>>


Argovia / 27. Mai 2013

Nächste Tanzdemo am 8. Juni in Aarau

Bei der Tanzdemo in Bern sind am Wochenende 50 Personen verletzt worden, der Sachschaden beläuft sich auf mehrere Hunderttausend Franken. Schon am 8. Juni findet die nächste Tanzdemo statt - in Aarau. Dort überdenkt man nach den Vorfällen in Bern das Sicherheitskonzept.

Podcast >>>

Aargauer Zeitung / 27. Mai 2013

Kommt es jetzt auch an der Tanzdemo in Aarau zu Krawallen?


In zwei Wochen findet «Tanz dich frei» in Aarau statt. Soll Aarau die Tanzdemonstranten dulden?

Am 8. Juni steigt die grosse Tanzdemo in Aarau. Die Stadt Aarau will alles unternehmen, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt wie am Wochenende in Bern. Die Stadtbehörden suchen den Dialog mit den unbekannten Organisatoren – bisher ohne Erfolg.

In Bern kam es übers Wochenende erneut zu Ausschreitungen bei der unbewilligten «Tanz dich frei»-Veranstaltung in der Innenstadt. Die Bilder aus Bern wecken in Aarau Ängste, wird doch hier in zwei Wochen ebenfalls zu einem «nächtlichen Tanz-Vergnügen» in den Kanti-Park aufgerufen.

In Bern entgleiste die friedlich begonnene Veranstaltung, Vermummte sorgten in der Nacht für Radau. Riesige Sachschäden und zahlreiche Verletzte (darunter Polizisten) waren die Folgen (wir berichteten).

In Aarau will man solche Zwischenfälle in zwei Wochen am 8. Juni wenn irgendwie möglich vermeiden, auch wenn sich Stadträtin Regina Jäggi (SVP) bewusst ist, dass die Möglichkeiten beschränkt sind. «Grundsätzlich müssen wir abwarten und bereit sein, um reagieren zu können», hielt sie gegenüber Tele M1 fest.

Stadt immer gesprächsbereit

«Mein grösster Wunsch ist, dass der Anlass friedlich abläuft», richtet die Aarauer Polizei-Direktorin einen Appell an die Organisatoren. Doch die Kommunikation mit den Veranstaltern ist nicht einfach.

Laut Jäggi wurden mögliche Organisatoren per Brief zu einer Sitzung mit Stadt und Stadtpolizei eingeladen: «Doch da kam niemand und es hat sich niemand bei uns entschuldigt», so die Stadträtin.

N ach einer Stunde Wartezeit liess man das Treffen platzen, lässt aber weiterhin eine Türe offen: «Wir bleiben jederzeit weiterhin gesprächsbereit. Man kann auf uns zukommen; man kennt uns ja.» (az)


Aargauer Zeitung / 12. Mai 2013

Autonome besetzen Haus und versprayen Nachbarsliegenschaft

Hausbesetzer haben in der Nacht auf Sonntag eine Liegenschaft an der Aarauer Herzogstrasse in Beschlag genommen. Die Polizei musste ausrücken, jedoch wurde keine Anzeige eingereicht. Die Besetzer haben das Haus wieder verlassen.

In der Nacht auf Sonntag wurde in Aarau die Herzogstrasse 15 vorübergehend von rund 100 Menschen besetzt. Im leer stehenden Gebäude wurde auf zwei Stöcken eine Party gefeiert. Dies wird von KAZ (Kampagne für ein autonomes Zentrum) in einer Medienmitteilung geschrieben.

Und: «Wir werden auch in Zukunft leer stehende Häuser besetzen.»

Bei der Stadt geht man davon aus, dass die Hausbesetzung auch mit dem geplanten Fussballstadion zu tun hat. «Der Kampf für autonomen Raum in Aarau dauert schon lange», sagte Stadtrat Beat Blattner gegenüber Tele M1.

Die Hausbesetzer haben nicht gewütet, jedoch die Nachbars-Liegenschaft mit Parolen versprayt. Die Polizei musste ausrücken, der Hausbesitzer hat jedoch keine Anzeige gegen die Besetzer eingereicht.



Aargauer Zeitung / 10. Mai 2013

120 Polizisten an Tanzdemo kosten den Steuerzahler 120'000 Franken


Die Tanzdemo am 22.September verlief völlig friedlich. Doch müssen sich deren Organisatoren nicht an die Regeln halten? Christoph Voellmy

Jetzt ist klar, wie viel die Tanzdemo vergangenen September die Polizei gekostet hat. An der Kundgebung mit rund 800 Personen in Aarau wurden rund 120 Polizisten aufgeboten. Die Regierung sagt auch etwas zum Verhalten der Polizei.

Der Aargauer Regierungsrat hat das pragmatische Vorgehen der Polizei bei einer unbewilligten Kundgebung mit rund 800 Personen in Aarau vom September gerechtfertigt. Dank einer "umsichtigen Strategie" der Kantons- und Stadtpolizei sei die "Tanzdemo" ohne "grössere Störungen" abgelaufen.

Nebst wenigen Lärmbelästigungsklagen aus der Bevölkerung und kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen verlief der Anlass ruhig, wie die Regierungsrat am Freitag in der Antwort auf eine Interpellation aus den Reihen der SVP, FDP und CVP schreibt.

"Das Ziel, durch eine engmaschige polizeiliche Begleitung und Überwachung einen möglichst geordneten Ablauf der Veranstaltung sicherzustellen, konnte somit erreicht werden", heisst es in der Stellungnahme.

Für die Sicherheit und Überwachung der "Tanzdemo" standen 112 Mitarbeitende der Kantonspolizei und 13 Mitarbeitende der Stadtpolizei Aarau im Einsatz. Es entstanden Kosten von insgesamt 118'320 Franken, wie der Regierungsrat festhält.

Anonyme Organisatoren

Rund 800 bis 900 Personen hatten am 22. September 2012 in Aarau an der Kundgebung unter dem Titel "Nächtliches Tanzvergnügen 2.0" für mehr kulturelle und politische Freiräume demonstriert.

Zur Kundgebung hatte eine anonyme Gruppe im Internet aufgerufen. Auch während und nach der Veranstaltung hatten sich die Organisatoren nicht zu erkennen gegeben.

Eskalation der Gewalt befürchtet

Die Verhinderung der Veranstaltung wäre gemäss Regierungsrat nur mit einem massiven Polizeiaufgebot unter Beizug von grösseren Detachementen aus anderen Kantonen möglich gewesen. Dies hätte erhebliche Mehrkosten verursacht.

Zudem müsste bei einer auf Verhinderung ausgerichteten Strategie damit gerechnet werden, dass es zu einer Eskalation der Gewalt kommen würde. Die Beeinträchtigung von Ruhe und Ordnung wäre gemäss Regierungsrat erheblich grösser, als wenn die Veranstaltung durch die Polizei engmaschig überwacht und begleitet wird.


Kanal K / April 2013

Kanal K – FreiTalk & Kontrast

Es lohnt sich nicht nur jeweils am vierten Dienstag im Monat die Sendung Schwarzer Stern auf Kanal K zu hören. Denn neben viel netter Musik gibt es auch immer wieder Interessantes auf die Ohren.

Am 5. April wurde in der Sendung FreiTalk über Jugendbewegungen gesprochen. Ein «68er», eine Aktivistin aus den 80er-Jahren und der Macher vom Schwarzer Stern reden über die Jugendbewegungen in Aarau ihrerer Zeit. Das Thema von der Sendung Kontrast vom 9. April war «Nur so will ich Leben». Fünf Jugendliche mit einem Lebensstil abseits des Mainsstreams werden vorgestellt. So kommt zum Besipiel ein vegan lebender Jugendlicher, eine ICF-Mitglieder und ein Aktivist der linksautomen Bewegung zu Wort.

5. April 2013: K-Punkt FreiTalk – Juendbewegungen gestern und heute >>>
9. April 2013: K-Punkt Kontras – Nur so will ich leben >>>



Aargauer Zeitung / 10. April 2013

Dürfen Aarauer zukünftig nach 22 Uhr nicht mehr in der Altstadt draussen sitzen?


Wo liegt in der Alstadt der goldene Mittelweg zwischen Partymeile und Schlafstadt? Quelle: Jiri Vurma

Noch bevor das Altstadtkonzept fertig ist, kursieren Gerüchte, das Nachtleben werde massiv eingeschränkt. Ab 22 Uhr dürfe man demgemäss künftig in den Aarauer Gassen nicht mehr draussen sitzen. Die Juso fordern dagegen eine Lockerung der Regeln.

von Sabine Kuster

Im Februar hatte der Aarauer Stadtammann gesagt – auch in seiner Funktion als Präsident des Schweizer Städteverbandes – er unterstütze ein Verkaufsverbot von Alkohol ab 22 Uhr. Die Juso interpretiert das in einer Resolution am Parteitag der SP Aargau als «Angriff auf die Rechte der Jugendlichen».

Die Jugend werde als störend empfunden und solle aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden. Am vergangenen Freitag hatte die Juso bereits gegen das «Klubsterben» in Aarau protestiert.

Die Jungen wollen lockerere Regeln

Die Kampagne für ein autonomes Zentrum, KAZ, unterstützte die Aktion mit einem Flyer. Allerdings nur in der Forderung, nicht im Vorgehen. Die Gruppe schrieb: «Lassen wir das Papier für Unterschriftensammlungen und Bittschreiben an die Stadt in den Schubladen. Es liegt an uns, Kultur zu machen!»

Die Juso fordern die Aufhebung des Tanz- und Sportverbotes an hohen Feiertagen, einen toleranteren Umgang mit Cannabis, keine Ausgehverbote, einen flexibleren Lärmschutz, sowie eben: kein Alkoholverbot im öffentlichen Raum und kein Verkaufsstopp am Abend. Damit werde die Jugend «bevormundet und gezwungen den Alkohol teuer in Bars und Clubs zu konsumieren».

Altstadtkonzept unter Verschluss

Ob das Verbot in Aarau tatsächlich kommt, ist noch völlig offen. Gerüchteweise ist auch zu hören, gemäss dem Altstadtkonzept, das in Erarbeitung ist, werde es ab 22 Uhr nicht mehr erlaubt sein, in der Altstadt draussen zu sitzen.

Stadtammann Marcel Guignard sagt dazu noch nichts: Eine Arbeitsgruppe diskutiere verschiedene Punkte und es mache keinen Sinn, wenn das Konzept noch in der Diskussionsphase publik werde, so Guignard. Der Streitpunkt ist klar: «Es geht um den Grundsatz Wohnnutzung versus Freizeitnutzung in der Altstadt», sagt Guignard.

Das Altstadtkonzept soll vor den Sommerferien dem Stadtrat vorgelegt und weiter diskutiert werden.



Aargauer Zeitung / 26. März 2013

Die Autonomen fordern ein eigenes Zentrum für Partys und Gratis-Laden


Autonome machen am Kultur-Workshop vor einer Woche auf ihre Forderung nach einem autonomen Zentrum aufmerksam.
Quelle: Christoph Voellmy


In den letzten zwei Jahren besetzten sie ab und zu den öffentlichen Raum – nun wirds konkret. Sie wollen ein «autonomes, selbstgestaltetes Zentrum» in Aarau. Das Kiff, das früher noch alternativ gewesen sei, sei nun eine gestandene Kulturinstitution.

von Sabine Kuster

Es war letzte Woche am Workshop für ein Aarauer Kulturkonzept, als ein paar Vermummte den Saal im KuK stürmten und nach einem autonomen Zentrum riefen. Auf den Zettelchen, die sie flattern liessen, stand «destruktiver Beitrag» und als solcher wurde die Aktion auch wahrgenommen: Einmal fordern junge Autonome Freiräume, aber was genau sie wollen, wird nicht klar. Ab und zu besetzten sie für eine Nacht ein leerstehendes Haus und veranstalteten «nächtliche Tanzvergnügen» – zuletzt im September als nachträglich bewilligter Umzug, der friedlich verlief, aber viel Abfall hinterliess.

In den angeregten Diskussionen um die Aarauer Kultur an diesem Abend ging unter, dass die Aktivisten diesmal eine Forderung dabei hatten, ausformuliert auf vier A4-Seiten: «Konstruktiver Beitrag» lautet der Titel. Und darunter: «Heute starten wir die Kampagne für ein autonomes, selbstgestaltetes Zentrum in Aarau».

Kulturhäuser werden anerkannt

Die heutigen Jugendlichen der linksautonomen Szene sehen Aarau wie ihre Vorgänger: ruhig und angepasst. Sie schreiben: «Wir mögen Ruhe, Theater und Ordnung. Aber genau so lieben wir Lärm, Party und Chaos.» Wenn für ein neues Stadttheater Millionen ausgegeben werde, dann solle es in Aarau auch Platz für unkonventionelle Kulturprojekte haben.

Die Initianten schätzen zwar die in den letzten Jahren entstandenen kulturellen und Nischen wie das Atelier Bleifrei, der Jugendraum Wenk oder der Club Zoo (alle in der Region Gais angesiedelt), doch deren Zukunft sei ungewiss. Man anerkenne auch das KiFF, das vor 20 Jahren, als es entstand, noch ein Ort gewesen sei, wo alternative Kultur habe stattfinden können. Inzwischen sei das KiFF aber eine gestandene Kulturinstitution.

«Es ist uns klar, dass es wohl bei fast jedem Kulturprojekt möglich ist, mitzuwirken», heisst es im «Konstruktiven Beitrag». Jedoch bleibe es stehts ein Mitwirken. «Platz zum Austoben, Ausprobieren und Ausreizen gibt es nicht.»

Beispiele aus anderen Städten

Deshalb will die Gruppe Raum für ein alternatives Zentrum. Man wolle dort Konzerte, Kinoabende, Theater, Partys veranstalten und eine Volksküche, einen Bandraum, eine Bibliothek, eine Werkstatt oder einen «Gratis-Laden» einrichten. Es solle ein Ort sein für nonkonforme Kultur «ohne Rassismus, Sexismus, Homophobie, Kommerz, Religion und städtische Einflüsse».

Als Beispiel wird das Kulturzentrum Bremgarten (KuZeB) genannt, das seit über 20 Jahren ohne Unterstützungsgelder existiere. Auch das LaKuZ in Langenthal, der autonome Beauty Salon Zürich, das Rümpeltum in St. Gallen und der Espace Autogéré in Lausanne würden als selbstverwaltete Kulturzentren funktionieren.

Kein Bestandteil des Konzeptes

Wie geht es aber weiter? Unterschrieben ist das Papier von «KAZ, Kampagne für eine autonomes Zentrum». Ohne Vor- und Nachname hat die Stadt noch immer keinen Ansprechpartner. Darauf wartet man aber im Rathaus auch nicht. Stadtrat Carlo Mettauer sagt: «Ein autonomes Zentrum ist, wie der Begriff ausdrückt, autonom, will unabhängig sein. Darum mischt sich auch die Stadt nicht ein, solange sich ein solches im gesetzlichen Rahmen bewegt.» Im Kulturkonzept für Aarau, das nun erarbeitet wird, würden Freiräume thematisiert, nicht aber ein autonomes Zentrum.



Aargauer Zeitung / 25. März 2013

Die heutige Jugend: Zu angepasst, bünzlig, orientierungslos, langweilig


Nur wenige Jugendliche interessieren sich für Politik (Im Bild: Jugendsession im Bundeshaus) Quelle: Keystone

Wie rebellisch sind die jungen Menschen heute, warum interessieren sie sich nicht für Politik? Eine Tagung der Fachhochschule Nordwestschweiz klärte auf. Oberstufenlehrer und Wissenschaftler versuchen, dem Thema auf den Grund zu kommen.

von Aline Wüst

Jugendliche besetzten im Februar ein leerstehendes Haus in Aarau. Sie fordern mehr Freiraum. Sie kämpften nach eigenen Angaben gegen die Perspektivenlosigkeit, wollten ein autonomes Jugendzentrum und kündeten an: Das ist der Startschuss für eine mehrmonatige Freiraumkampagne.

Mit der Revolte der Jugend befassten sich Oberstufenlehrer an einer Tagung der Fachhochule Nordwestschweiz. Dabei stand auch die Frage im Raum, ob es solche Revolten heute überhaupt noch gibt.

Jugend im Leistungsdruck

Ein Blick auf das Jugendbarometer, eine jährlich durchgeführte Studie der Credit Suisse, zeigt: Die Jugend ist bünzlig. Geld ist ihr wichtig, sie ist leistungsorientiert. Die Politik ist out. Nur gerade 7 von 100 Schweizer Jugendlichen interessieren sich nach eigenen Angaben sehr stark für Politik. Dieses Bild der Jugend ergibt auch eine Strassenumfrage der Aargauer Zeitung.

Vera Sperisen vom Zentrum für Demokratie in Aarau hält dagegen. Es spiele eine grosse Rolle, wie man «politisch sein» umschreibe. Gehe es um Parteizugehörigkeit oder regelmässige Stimmbeteiligung, seien wenig junge Menschen politisch. «Bedeutet politisch sein aber, sich für gesellschaftliche Fragen zu interessieren und eine individuelle Meinung zu haben, sind viele Jugendliche politisch.»

Die Wissenschafterin Vera Sperisen beschäftigt sich seit sechs Jahren mit Jugendbewegungen. «Die heutige Jugend hat eine schwierige Position», findet sie. Der Leistungsdruck sei gross, damit steige auch der Druck, sich rasch in die Gesellschaft integrieren zu müssen. Dabei bleibe wenig Zeit, um nachzudenken. «Vielleicht auch ein Grund, weshalb die heutige Jugend angepasster wirkt?»

Die Utopie vom anderen Leben

An der Tagung referierte auch Heinz Nigg, Ethnologe und Kunstschaffender aus Zürich. «Jugendprotest ist ein Seismograf der Gesellschaft», sagt er. Es spiele keine Rolle, ob er nur von wenigen ausgehe. Auch bei der 68er-Bewegung und den Jugendprotesten in den 80er-Jahren habe nicht eine ganze Jugend aufbegehrt. Es seien wenige gewesen, die etwas erreicht hätten.

Die von diesen früheren Jugendprotesten geforderte Freiheit des Individuums sei mittlerweile zum Mainstream geworden. Dafür müsse die heutige Jugend nicht mehr kämpfen. Betrachtet man aber die nächtlichen Tanzdemonstrationen wie kürzlich in Aarau, gehe es vordergründig zwar um mehr Raum für junge Menschen. Spreche man länger mit den Jugendlichen, werde klar, dass mehr als nur der Wunsch nach Freiraum dahinterstecke. «Die Jugendlichen versuchen, der Gesellschaft eine Utopie von einem anderen Leben entgegenzustellen.» Sie machten dabei auch aufmerksam auf einen Mangel an Geborgenheit und Zuwendung.

Abgrenzung ist schwierig

Die Tagung besucht hat auch Therese Künzler von der Bezirksschule Mutschellen. «Die heutige Jugend ist fast zu angepasst», sagt sie. Das habe vielleicht auch damit zu tun, dass viele Eltern heute so wahnsinnig jugendlich sein wollen. «Die Abgrenzung fällt den Jugendlichen so doppelt schwer.»

Und auch René Bliggensdorfer, Geschichtslehrer an der Bezirksschule Bremgarten, sagt: «Ich erlebe die Jugend als langweilig.» Früher seien junge Menschen von den Normen der Gesellschaft viel stärker eingeschränkt gewesen. «Heute ist die Jugend oft orientierungslos.» Es sei einfacher, einen vorgegebenen Weg zu gehen, als aus hundert Möglichkeiten auszuwählen. Mit Blick auf Jugendproteste sagt Bliggensdorfer, dass viele Jugendliche heute einen grossen Teil ihrer Freizeit mit Computerspielen verbringen. «Dieser soziale Rückzug ist auch eine Form des Protestes.» Beim Gamen müsse man keine Entscheidungen treffen, die Konsequenzen haben. Und vor Entscheidungen fürchten sich doch heute viele junge Menschen, sagt er.



Aargauer Zeitung / 19. März 2013

Zehn Tischtücher voller kultureller Forderungen an die Stadt Aarau


Konrad Oehler (mit rotem Halstuch) konnte auf mehrere Jahrzehnte Kulturleben in Aarau zurückblicken.
Sein Appell: «Nicht resignieren.» Quelle: Christoph Voellmy


Grossaufmarsch im Aarauer Kultur- und Kongresshaus: Rund hundert Kulturschaffende diskutierten über das Angebot in der Stadt. Ihre Vorschläge und Ideen werden in das Kulturkonzept einfliessen. Ein solches hatte Aarau bis jetzt nicht.

von Sabine Kuster

Ein Papiertiger, ein dickes Buch, ein Werk für die Schublade. Das alles soll das Kulturkonzept der Stadt Aarau nicht werden. Statt dessen: ein dynamisches, griffiges Papier. Stadtrat Carlo Mettauer versprach es am Montagabend im Aarauer Kultur- und Kongresshaus.

September letzten Jahres wurde eine siebenköpfige Kerngruppe mit Aarauern aus verschiedenen Kulturbereichen gegründet. Ihre Aufgabe ist es, bis im Sommer ein Kulturkonzept auf den Tisch zu legen. Damals hatte Mettauer gesagt, dass man mit den Kulturschaffenden reden wolle und dass diese mitarbeiten könnten.

Viele Junge diskutierten mit

Dass es richtig eng um die zehn runden Tische werden würde, damit hatten weder Mettauer noch die Leiterin der Kulturstelle, Melanie Morgenegg, gerechnet. Man könnte draus schliessen: Zu wenig Kultur gibt es in Aarau nicht, aber viel, was diskutiert werden muss. Versammelt war das ganze Kultur-Spektrum: Vertreter von Freier Film, Jazzaar, Jugendhaus, KiFF, Kunsthaus, Kunstraum, Museum Schlössli, Tuchlaube, Künstler, Musiker, Schauspieler, legale und illegale Partyveranstalter.

Der Altersdurchschnitt lag auffallend tief – am tiefsten am Tisch 7, einem, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besonders dicht gedrängt sassen. Dort wurde über Räume für die Kultur diskutiert, speziell Zwischennutzungen.

Die Diskussionen waren kaum gestartet, als ein paar Vermummte und als Tiere Verkleidete den Saal stürmten und riefen: «Keinen Tag ohne autonomes Zentrum!» Sie liessen farbige Zettelchen mit dem Aufdruck: «Destruktiver Beitrag» flattern. Einige Kulturschaffende warfen sich vielsagende Blicke zu und grinsten, die meisten liessen sich nicht von der –  konstruktiven –  Diskussion ablenken.

Nach zwei Stunden bilanzierte auch Mettauer: «Man will zusammen etwas. Es war kein Schimpfen, keine Chropfleerete.» Dennoch sammelten sich auf den Papiertischtüchern, die als Protokolle dienten, mehrheitlich Forderungen an die Stadt: bessere Kommunikation, mehr Wertschätzung, eine Wiederbelebung des Kulturfestes, einfachere Bewilligungsverfahren, mehr Räume, mehr Geld und auch: mehr Mut.

Die Stadt wage es nicht, fand man am Tisch 8, wo es um die Finanzen ging, grosszügig in ein Projekt zu investieren, ohne die Garantie zu haben, dass es auch gelinge. Dies würde die Nischenkultur fördern. Aarau brauche aber auch einen Leuchtturm wie das Badener Fantoche-Festival, fand man am Tisch 4 zum Thema Standortmarketing und Identität. Aarau sei viel zu sehr Mittelmass.

Konrad Oehler: «Nicht resignieren»

Beides, klein und gross, also: Die Stadt soll einige wenige grosse Institutionen unterstützen und viele Nischen. So sieht es auch Kulturstellenleiterin Melanie Morgenegg: Einerseits müssten mit «Leuchttürme», welche regelmässig Geld bekommen, Leistungsverträge ausgehandelt werden, andererseits sollen die Kriterien, um für einzelne Projekte Geld zu erhalten, gelockert werden.

Am Tisch 7 sagte der 72-jährige Jazzmusiker und Kerngruppenmitglied Konrad Oehler den Jungen, die fanden, Aarau sei brav: «Es war noch nie anders hier, aber wir dürfen nicht resignieren.» Das tat man offensichtlich nicht: Viele blieben nach dem offiziellen Schluss des Workshops am Tisch sitzen und diskutierten weiter.


Aargauer Zeitung / 14. März 2013

Aeschbachhalle in Aarau wird sanierte Nostalgie


Die Aeschbachhalle 2017 mit Restaurant und Markt. Visualisierung KACP

Eine alte Industriehalle soll das Herzstück des neuen Quartiers im Torfeld Süd in Aarau werden. Das Werbevideo ist publiziert, bevor vieles überhaupt feststeht. Der Film verspricht den Himmel auf Erden im neuen Quartier.

von Sabine Kuster

Die Geschichte geht so: Eine hübsche Frau sitzt in einem Designer-Sessel und blättert in einem Fotoalbum. Die Frau in Paris, die Frau in Venedig und auch in New York. Dann hört sie Kinderlachen und hebt anmutig den Kopf. Zu Musik von Streichern betritt sie eine alte Industriehalle, von Sonnenlicht durchflutet.

Sie blickt sich um und kommt zum Schluss: «Es muss nicht Venedig, New York oder Paris sein.» – Diese Botschaft wird in den Werbefilm für den geplanten Aarauer Stadtteil Torfeld Süd eingeblendet.

«Aeschbach Quartier Aarau», kurz AQA, soll das Quartier heissen, welches dem Immobilienunternehmen Mobimo gehört. Mobimo hat letzte Woche pünktlich zur Sprengung des Sprecherhofs auf demselben Areal im Torfeld Süd eine Internetseite mit Werbefilm aufgeschaltet.

Die Sprengung sei für das Unternehmen der offizielle Beginn der Bauphase gewesen, heisst es bei Mobimo. Also auch der Beginn für die Vermarktung.

Industriecharme konservieren

Die Frau im Film schreitet durch das neue Quartier, bestaunt das neue Hochhaus, begegnet glücklichen Kindern und steht am Ende wieder in der noch unsanierten Industriehalle der ehemaligen Schlosserei und Schmiede Aeschbach.

Der professionelle Werbefilm verspricht den Himmel auf Erden im neuen Quartier. Doch auch abgesehen vom PR-Jargon scheint die Industriehalle etwas Besonderes zu werden. Als «Herzstück» im 50 000 Quadratmeter grossen Quartier bezeichnet sie Mobimo.

Die Halle wurde 1910 gebaut, steht seit langem leer und ist einsturzgefährdet. Das Gebäude verströmt einen herben Charme aus Stahl und Backsteinen. Dieser soll für die neue Nutzung konserviert werden.

Der Hauptteil gehört zu den schützenswerten Bauten der Denkmalpflege und wird saniert. Eine Markthalle mit einem Restaurant und Café soll dort eingerichtet werden. Dafür gebe es schon diverse Interessenten, sagt Christine Hug von der Kommunikation der Mobimo.

Der übrige Teil wird neu gebaut mit einem Saal für Events, einem Foyer und zwei Ladenlokalen. Eine Filiale eines Grossverteilers ist laut Christine Hug nicht vorgesehen.

Das Gaiscenter nebenan bietet bereits verschiedene Geschäfte – und wird die neuen Kunden vom Aeschbachquartier gut brauchen können.

1350 Arbeitsplätze und 390 Haushalte werden entstehen. Mitten durchs Quartier verläuft ein Park, der den dichteren Teil von den Reihenhäusern und kleineren Mehrfamilienhäusern trennt. Der Name Aeschbachquartier soll für ein urbanes Dorf stehen und «Torfeld Süd» mit seinem Agglo-Flair verschwinden.

Keine Verzögerungen von aussen

Gestalter der Aeschbachhalle ist der Holländer Kees Christiaanse mit dem Architekturbüro KCAP. Die Halle und die Mehrfamilienhäuser sollen 2017 fertig werden, Mobimo hat den Start der Nutzung um ein Jahr nach hinten korrigiert. Nur Gastro Social soll schon 2015 ins neue Hochhaus einziehen.

Mobimo rechnet nicht mit Störaktionen oder einer Hallenbesetzung wie jener des Binz-Areals, welche momentan in Zürich hohe Wellen wirft. «Aarau ist ruhiger», sagt Hug. Die Party, welche Jugendliche vor drei Wochen in einem leerstehenden Haus an der Buchserstrasse veranstaltet hatten, sei friedlich verlaufen.


Aargauer Zeitung / 27. Februar 2013

Hausbesetzer fordern Freiräume und kündigen nächstes «Tanzvergnügen» an


Die Liegenschaft Buchserstrasse 15/17 (links) wurde besetzt (Archivbild). Quelle: Sarah Künzli

In der Nacht auf Sonntag wurde die leer stehende Abbruchliegenschaft an der Buchserstrasse 15/17 in Aarau von «etwa 300 Tanz- und Feierfreudigen besetzt und zu neuem Leben erweckt», heisst es in einer anonymen Mitteilung.

Die Kantonspolizei Aargau bestätigt die Hausbesetzung. Um 5 Uhr morgens habe die Stadtpolizei gemeldet, dass sich rund 10 Personen im Freien und rund 20 Personen im Innern aufhielten. Die Kapo ist daraufhin als Unterstützung dazugestossen. «Offenbar hat da eine Party stattgefunden», sagt Polizeisprecher Roland Pfister. Der Hauseigentümer habe bis jetzt noch keine Strafanzeige eingereicht.

Das ehemalige Wohn- und Geschäftshaus gehört der Immobilienfirma Mobimo und steht auf dem Areal Torfeld Süd, gleich neben dem Rockwell-Hochhaus, das am 8. März gesprengt wird. Seit Dezember 2012 liegt eine Abbruchbewilligung für die Liegenschaft vor. Das Torfeld Süd wird komplett neu überbaut, unter anderem mit einem neuen Fussballstadion.

Die Medienmitteilung verschickt hat das alternative Infoportal aargrau.ch. «Diese Besetzung ist gleichzeitig auch den Startschuss für eine mehrmonatige Freiraumkampagne mit dem klaren Ziel, ein autonomes Zentrum in Aarau zu eröffnen», steht darin. Für den 8. Juni wird ein weiteres sogenanntes nächtliches Tanzvergnügen angekündigt. Der letzte unbewilligte, aber geduldete Tanzprotest in Aarau fand im September 2012 statt. (cfü/trö)